Es begab sich das Wunder in einer Stadt der Frommen, in den finsteren Zeiten der Pandemie, wo jedermann und jedefrau von der Regierung zum Impfen aufgerufen wurde. Mancherorts aber blieben die Impfzentren furchterregend leer - bis eines Abends in Bnei Brak sich plötzlich eine große Menge erhob und auf den Weg machte. 3800 waren es an der Zahl, empfangen wurde ein jeder mit einem Teller voll schmackhaftem Tscholent, dem Hochgenuss aus der koscheren Küche, und als Beigabe gab es ein Vakzin der Firma Pfizer. Gesättigt und geschützt gegen das Coronavirus zogen die Menschen anschließend von dannen.
Die per Lautsprecherwagen in der ultraorthodoxen Vorstadt von Tel Aviv bekannt gemachte Kombination aus kostenloser Mahlzeit und Impfung ist Teil der Anstrengungen der israelischen Regierung, ihre beispiellose Impf-Kampagne voranzutreiben. Das Land ist zwar immer noch Impf-Weltmeister: Von gut neun Millionen Einwohnern haben schon knapp vier Millionen die erste Impfdosis erhalten, rund 2,5 Millionen davon bereits die zweite. Aber der große Schwung des Anfangs ist erlahmt, und das bereitet Sorgen.
Die Rechnung ist einfach, das gewünschte Ergebnis aber ist schwer zu erreichen: Für die Herdenimmunität werden ungefähr 70 Prozent der Bevölkerung gebraucht. 2,5 Millionen Israelis aber fallen von vornherein aus - sie sind jünger als 16 und werden nicht geimpft. Der Rest muss also fast komplett ran, wenn es reichen soll. Doch während bei den über 60-Jährigen, der Hauptrisikogruppe, bereits 90 Prozent geimpft wurden, sind es bislang nur 73 Prozent in der Altersgruppe 40 bis 60 Jahre und nur 50 Prozent bei den 16- bis 40-Jährigen.
Die Jüngeren halten sich deutlich bedeckt, obendrein ist das Internet voll mit Fake News und Verschwörungsquatsch, und Wirkung entfaltet dies offenbar vor allem bei zwei Gruppen: bei den ultraorthodoxen Juden, die rund zwölf Prozent der Bevölkerung stellen, und bei der arabischen Minderheit, die ungefähr ein Fünftel ausmacht. Dort sind die Impfzahlen durchgängig unterdurchschnittlich.
Der Impfstoff wirkt in allen Altersgruppen gleichermaßen gut
Die Impfzentren sollen deshalb nun mit einer Kombination aus Anreizen und Druckmitteln wieder gefüllt werden. Debattiert wird dabei auch über eine Impfpflicht, bei der jedoch viele rechtliche Fragen offen sind. Impf-Verweigerern in bestimmten Berufsgruppen, vor allem Lehrern und dem medizinischem Personal, droht Gesundheitsminister Juli Edelstein mit einer Testpflicht alle zwei Tage.
Premierminister Benjamin Netanjahu dringt zudem auf ein Gesetz, das es erlaubt, die Namen aller Ungeimpften an die jeweiligen lokalen Behörden zu melden. Was die dann damit machen sollen, bleibt allerdings noch offen.
Als beste Werbung fürs Impfen könnten die Zahlen dienen, welche die staatliche Clalit-Krankenkasse vorgelegt hat: Der Vergleich von 600 000 Geimpften mit einer gleich großen Gruppe von Ungeimpften deutet auf eine hohe Wirksamkeit des in Israel verwendeter Pfizer-Vakzins hin. Die Impfgruppe weist 94 Prozent weniger Infektionen und 92 Prozent weniger ernste Krankheitsverläufe auf. Gezeigt hat sich dabei auch, dass der Impfstoff in allen Altersgruppen gleichermaßen effektiv wirkt.
Den stärksten Anreiz zum Impfen verspricht sich Israels Regierung jedoch vom sogenannten Grünen Pass, der den Planungen zufolge schon nächste Woche an Geimpfte und Genesene ausgegeben werden soll. Dies könnte den exklusiven Zugang sichern zu Konzerten und Sportveranstaltungen, Hotels und Restaurants, Einkaufszentren und Fitnessstudios. Nachman Ash, der Corona-Beauftragte der Regierung, verspricht sich davon einen "dramatischen Wandel" vor allem beim Blick der jüngeren Generation aufs Impfen.
Auch Aktionen wie in Bnei Brak sollen nach dem großen Anfangserfolg fortgeführt werden. Statt des traditionellen Tscholent-Eintopfs wird es in der ultraorthodoxen Hochburg in dieser Woche eine Pizza im besonders großen Familienformat für jeden Impfling geben. Und auch im arabischen Jaffa wollen sie diesem Vorbild folgen. Auf einem zentralen Platz soll ein mobiles Impfzentrum auffahren. Zur Spritze wird dann wahlweise Hummus oder ein Teller mit der sehr süßen Süßspeise Knaffeh gereicht.