Im Kampf gegen die Corona-Pandemie zeichnet sich ab, dass der Teil-Lockdown in Deutschland bis in den Dezember hinein verlängert wird und auch Weihnachten und Silvester anders als in den Jahren zuvor gefeiert werden müssen. Vor den anstehenden Beratungen mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mittwoch sind die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer übereingekommen, dass die für den November beschlossenen Einschränkungen fortgeführt werden müssen.
Der derzeitige Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD), sagte am Sonntag, es sei angesichts der weiterhin zu hohen Infektionszahlen "aktuell nicht vorstellbar", dass die Maßnahmen auslaufen könnten. "Wir sind uns einig, dass schon viel erreicht wurde, aber nicht genug", sagte Müller. Er geht davon aus, dass die Anfang des Monats verhängten Maßnahmen dazu geführt hätten, die Zahl der Kontakte um 40 Prozent zu reduzieren und beruft sich auf Angaben des Helmholtz-Instituts.
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Merkel meint, es bleibe noch einiges zu tun. Söder sieht keinen Grund zur Entwarnung
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte am Sonntag in Berlin, um wieder Zugriff auf die Pandemie und die Kontaktnachverfolgung zu bekommen, müsse man "sicherlich noch einiges tun". Aber was genau das sei, dem könne und wolle sie nicht vorgreifen. "Tatsache ist, dass wir noch nicht soweit sind, wie wir gerne gekommen wären durch die Kontaktbeschränkungen, so Merkel weiter. Schon beim jüngsten Treffen von Bund und Ländern Anfang der Woche hatte Merkel schärfere Maßnahmen gegen die Pandemie durchsetzen wollen, war aber am Widerstand der Länder gescheitert.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte in der ARD, es gebe keinen Grund zur Entwarnung. Deswegen "werden wir den Lockdown sicherlich zu verlängern vorschlagen. Und an einigen Stellen - insbesondere in den Hotspots - auch deutlich zu vertiefen."
Bis Mittwoch haben die Länderchefs nun Zeit, konkrete Vorschläge zu unterbreiten, welche Corona-Maßnahmen auch im Dezember noch gelten sollen. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) stimmt die Bürger bereits auf Einschränkungen auch über Weihnachten und Silvester ein. "Ich will eine Regelung, die Perspektiven bietet", sagte sie der Süddeutschen Zeitung. Weihnachten und Silvester sollten die Menschen zwar ihre Liebsten treffen können. Aber: "Dass wir auch dabei Kontakte beschränken müssen, ist auch klar." Bislang ist der Aufenthalt in der Öffentlichkeit nur mit den Angehörigen des eigenen und eines weiteren Hausstandes gestattet, maximal dürfen zehn Personen zusammenkommen.
In der SPD gibt es nach SZ-Informationen Überlegungen, diese Regelung über Weihnachten aufzuweichen, damit Familien und Freunde auch aus mehreren Hausständen zusammenkommen können. Die SPD will demnach Treffen mit "haushaltsfremden" Personen ermöglichen, die Obergrenze könnte bei zehn Personen liegen, Kinder unter 14 Jahren nicht eingerechnet. Wer solche Begegnungen plant, soll, "wo immer möglich, sich vor und nach den Feiertagen in eine möglichst mehrtägige Selbstquarantäne begeben", wie es in einem Beschlussentwurf der SPD-Seite vom Sonntag heißt. Das Dokument liegt der SZ vor.
Schutzmaßnahmen auch für Silvester im Gespräch
Auch für Silvester soll es Vorgaben geben. Dreyer sagte: "Das neue Jahr im kleinen Kreis zu begrüßen wird möglich sein, aber große Silvester-Partys oder große Menschenansammlungen an beliebten Plätzen sind definitiv ein zu großes Risiko. Das müssen wir vermeiden." Ihre Partei schlägt vor, den "Verkauf, Kauf und das Zünden von Feuerwerk" zum Jahreswechsel zu verbieten. Die unionsgeführten Länder sind allerdings dagegen. Der Verkauf und das Mitführen von Pyrotechnik solle nicht untersagt werden, heißt es in einem Papier, über das die dpa am Montagvormittag berichtete. Stattdessen solle es einen Appell geben sowie ein Verbot von Feuerwerk auf belebten Plätzen.
Was den Betrieb an Schulen angeht, so halte sie diese Orte nicht für Infektionsherde. Sie zeigte sich aber offen dafür, in stark vom Virus betroffenen Gebieten den Wechsel von Lernen in der Schule und zu Hause zu ermöglichen. Wo es deutlich mehr als 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner gibt, da sollen Schüler von der siebten Klasse an im Unterricht verpflichtend eine Maske tragen. So steht es weiter im Entwurf.
Doch nicht nur an Schulen soll die Maskenpflicht ausgeweitet werden. "Jede Person hat in geschlossenen Räumen, die öffentlich oder im Rahmen eines Besuchs- oder Kundenverkehrs zugänglich sind, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Dies gilt auch für öffentliche Verkehrsmittel", ist in dem Entwurf zu lesen. Auch dort, wo unter freiem Himmel Menschen entweder auf engem Raum oder nicht nur vorübergehend zusammenkommen, soll eine Maske zur Pflicht werden, wenn örtliche Behörden dies beschließen.
Die allgemeinen Kontaktbeschränkungen könnten ebenfalls verschärft werden. Der Entwurf spricht davon, private Zusammenkünfte mit Freunden, Verwandten und Bekannten auf den eigenen und einen weiteren Haushalt zu beschränken. In jedem Fall sollen jedoch maximal fünf Personen zusammenkommen. Kinder bis 14 Jahre sollen dabei nicht mitgezählt werden. Hochschulen und Universitäten sollen grundsätzlich auf digitale Lehre umstellen. Ausnahmen soll es nur für Laborarbeiten, Praktika und Prüfungen geben.
Auch die staatlichen Hilfen für vorübergehend geschlossene Betriebe sollen bis 20. Dezember verlängert werden. Diese seien für Unternehmen und Beschäftigte essenziell und ein wichtiges Element für die hohe Akzeptanz der notwendigen Schutzmaßnahmen bei den Bürgerinnen und Bürgern, heißt es in dem Papier. Die Ausgaben für diese Unterstützung im November werden auf 15 Milliarden Euro beziffert. Vorgeschlagen wird auch, Hilfsmaßnahmen für Branchen, die absehbar in den kommenden Monaten weiterhin "erhebliche Einschränkungen" hinnehmen müssten, bis Mitte 2021 zu verlängern. Genannt werden die Kultur- und Veranstaltungswirtschaft, Soloselbstständige und die Reisebranche.
Am Wochenende sprach sich die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin in einer Stellungnahme gegen Beschränkungen des Präsenzunterrichts aus. Die Schulschließungen im Frühjahr hätten weitreichende negative Folgen für die Kinder und Jugendlichen bis hin zur Kindeswohlgefährdung gehabt. Zudem werde immer deutlicher, dass Schulen eben keine Hotspots seien. Es sei daher an den Erwachsenen, ihre Kontakte zu beschränken und den Kindern den Schul- und Kitabesuch zu ermöglichen. Mit einer Datenanalyse widersprachen zudem die Direktoren von mehr als 100 deutschen Kinderkliniken der These, dass es unter Kindern zahlreiche unentdeckte Infektionsfälle gebe. Vielmehr lag die Zahl der Sars-CoV-2-positiven Kinder unter allen stationär aufgenommenen Kindern im vergangenen halben Jahr bei weniger als 0,2 Prozent.
"An Schulen findet keine unerkannte oder besorgniserregende Weiterverbreitung von Infektionen statt", betonte Reinhard Berner, Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin. Unter Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln zur Eindämmung der Pandemie könne der Unterricht fortgeführt werden.