Corona-Impfmuffel:Serbien lockt - und bestraft

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Sonderimpfstation im serbischen Kragejuvac: In einem Restaurant erhält ein Mann eine Corona-Impfung. (Foto: Marko Djurica/Reuters)

Viele Serben lehnen eine Covid-Impfung ab - auch aus Widerstand gegen Präsident Vučić. Der hat nun eine Impfprämie auf den Weg gebracht und lässt Unwilligen das Krankengeld kürzen.

Von Florian Hassel, Warschau

Wenn Aleksandar Vučić Vorschläge macht, werden sie schnell umgesetzt. Kaum hatte Serbiens Präsident der Regierung vorgeschlagen, sie möge eine Impfprämie und eine Kürzung des Krankengeldes für Impfmuffel beschließen, schon waren die Vorschläge Regierungspolitik.

Seit Beginn der Corona-Pandemie entscheidet Serbiens Präsident, wo welche Impfstoffe eingekauft werden, ob das Land in strengen Lockdown einschließlich Ausgangssperre auch am Tag geschickt wird (wie im Frühjahr 2020) oder ob im Gegenteil fast alle Einschränkungen aufgehoben werden (wie im Herbst 2020).

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Mit vier Impfstoffen - Biontech, Sputnik, dem chinesischen Sinopharm und dem indischen Astra-Zeneca-Lizenzimpfstoff Covishield - impfte das 6,8 Millionen Einwohner kleine Serbien sich in Europa ab Januar an die Spitze hinter England. Zuletzt aber erlahmte der Impf-Eifer; jetzt liegt Serbien gleichauf mit Deutschland. Bis zum 5. Mai bekamen gut 1,6 der sieben Millionen Serben beide Impfdosen, nur gut 400 000 mehr als einen Monat zuvor. Weitere gut 450 000 Serben haben zumindest eine erste Impfdosis bekommen.

Verschwörungstheorien, denen zufolge Impfstoffe das Erbgut veränderten, zu Sterilität von Männer oder Unfruchtbarkeit von Frauen führen, sind verbreitet - selbst unter medizinischem Personal. Im 70 000-Einwohner-Städtchen Novi Pazar gab der Chef des Gesundheitsamtes Šefadil Spahić der Tageszeitung Danas zu Protokoll, in zwei Krankenhäusern und der Poliklinik seien bis jetzt nur 40 Prozent der Ärzte und Krankenschwestern geimpft.

Den Plan zur Pflichtimpfung ließ die Regierung fallen

Im November 2020 überlegte die Regierung, das Infektionsgesetz zu ändern und nach Impfungen gegen Tuberkulose oder Diphterie auch Covid-Impfungen zur Pflicht zu machen. Doch sie ließ den Plan fallen, wahrscheinlich wegen der geringen Chance auf Kontrolle und Durchsetzbarkeit. Stattdessen ersann Vučić nun, Impfmuffeln unter Beamten und Staatsangestellten solle das Krankengeld um gut ein Drittel gekürzt werden, wenn sie an Covid erkranken. "Das ist nicht nur fair, sondern mehr als fair", so der Präsident am 5. Mai.

Schon tags darauf meldete die Regierung Vollzug, ebenso wie beim Prinzip Zuckerbrot: Seit dem 6. Mai kann sich jeder Serbe auch ohne die bisher notwendige Anmeldung per Internet oder Telefon in Sonderimpfstationen gegen das Coronavirus impfen lassen - und soll dafür, wenn er dies bis spätestens zum 31. Mai tut und seine Impfung im Internet registriert, bis zum 20. Juni eine Geldprämie von 3000 Dinar bekommen, umgerechnet gut 25 Euro. Eine durchaus ansehnliche Summe in Serbien, wo viele arbeitslos sind oder nur umgerechnet 300 Euro im Monat verdienen.

Vor dem Belgrader Einkaufszentrum Usce bildeten sich zu Beginn der Sonderimpfaktion lange Schlangen: Denn die ersten 100 Geimpften bekamen zusätzlich zur Geldprämie noch einen Einkaufsgutschein. Auch an den Folgetagen wurden so täglich Hunderte weitere Impfwillige allein in dieses Einkaufszentrum gelockt. Auch aus dem kleinen Novi Pazar meldet der Chef des Gesundheitsamtes nun tägliche Rekordimpfzahlen.

Von einer Impfhäufigkeit von 50 bis 70 Prozent der Bevölkerung, wie sie etwa Virologen für eine weitgehende Immunisierung der Bevölkerung für notwendig halten, ist Serbien freilich noch weit entfernt. Nicht nur Unkenntnis oder Verschwörungstheorien spielen bei Impfgegnern eine Rolle, sondern auch die Politik. Viele Serben, die den oft autokratisch regierenden Präsidenten Vučić ablehnen, lehnen deshalb prinzipiell auch die von ihm propagierten Covid-Impfungen ab.

Zumindest im Herbst 2020 gaben 48 Prozent der Wähler serbischer Oppositionsparteien bei einer Demostat-Umfrage an, sie wollten sich unter keinen Umständen gegen Covid-19 impfen lassen. Immerhin fallen inzwischen die Ansteckungszahlen deutlich: von mehr als 5000 Neuinfizierten täglich Anfang April auf nur noch 834 am Samstag.

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