Halberstadt:Der erste Piks

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Die damals 101-jährige Edith Kwoizalla wurde als erster Mensch in Deutschland geimpft - kurz vor dem offiziellen Impfstart. (Foto: Matthias Bein/dpa)

Edith Kwoizalla war Ende 2020 der erste Mensch, der in Deutschland offiziell gegen Corona geimpft wurde. Die heute 102-Jährige aus Sachsen-Anhalt ist nicht nur deswegen für ihre Familie die "Impf-Queen".

Von Jan Heidtmann, Berlin

Wie in anderen Städten Sachsen-Anhalts sind auch in Halberstadt in den vergangenen Wochen einige Einwohner auf die Straße gegangen. Am Montag vergangener Woche waren es rund 1000 Menschen, die gegen die Corona-Maßnahmen und dabei vor allem gegen eine mögliche Impfpflicht lautstark und teils aggressiv demonstrierten. "Wir lassen uns als Bürger dieser Stadt nicht spalten", hatte Bürgermeister Daniel Szarata die rund 40 000 Einwohner Anfang Dezember beschworen. "Nur gemeinsam können wir diese Pandemie überstehen." Aber es half nichts. Dabei hatte der Ort im Vorland des Harzgebirges vor einem Jahr noch ganz andere Schlagzeilen gemacht.

"Start schon an diesem Samstag", hieß es zum Beispiel in der Nordwestzeitung. Halberstadt hatte am zweiten Weihnachtsfeiertag 2020 und damit schon einen Tag vor dem offiziellen Beginn der deutschlandweiten Kampagne begonnen, seine Bürger gegen Corona zu impfen. Das Vakzin war dort früher als geplant eingetroffen. "Wir wollen diesen einen Tag, den der Impfstoff an Haltbarkeit dann verliert, nicht verschwenden", sagte Karsten Fischer vom Pandemiestab im Landkreis Harz damals. "Wir wollen ihn gleich ausbringen."

Zu einer gewissen Berühmtheit brachte es dadurch die damals 101-jährige Edith Kwoizalla: als erster offiziell gegen Corona geimpfter Mensch in Deutschland. "Donnerwetter" soll sie gesagt haben, als sie am nächsten Tag ihr Foto in der Lokalzeitung entdeckte. Kwoizalla lebt bis heute in dem Seniorenheim in Halberstadt, das die ersten Chargen des Impfstoffs bekam. An dem Samstag vor einem Jahr erhielten gleich 40 der 59 Bewohner ihre Spritze. "Durch die frühe Impfung der Bewohner sind wir in der Halberstädter Einrichtung vor Ausbrüchen bewahrt geblieben", sagt der Leiter des Seniorenheims Tobias Krüger.

Die "Impf-Queen", wie ihre Familie Edith Kwoizalla nennt, hat kurz darauf ihre zweite und inzwischen auch ihre dritte Impfung bekommen. Kwoizalla hatte zu DDR-Zeiten als Krankenschwester gearbeitet, Impfungen gegen Polio, Pocken, Diphterie, Tetanus oder Tuberkulose waren dort selbstverständlich. Im Mai feierte sie ihren 102. Geburtstag. Die Familie machte den Tag auch deshalb öffentlich, weil in manchen Internet-Foren der Corona-Gegner behauptet worden war, Kwoizalla sei inzwischen an der Folgen der Impfung gestorben.

In demselben Monat erklärte Halberstadt den frühen Impfstart schließlich zu einem historischen Ereignis: Am 7. Mai übergab das Ameos-Klinikum die ersten, nun leeren Ampullen des Impfstoffes an die städtische Sammlung. Sie sind dort in der antiken Apotheke des Museums ausgestellt.

Dass die Stadt ein Erbe zu bewahren hat, zeigt sich nun auch auf ganz andere Art. Mitte Dezember hat die Initiative "Zusammen für einen bunten Harz" aus Halberstadt eine Petition gestartet. Sie richtet sich an die Mitbürger, an den Landrat sowie den Bürgermeister und fordert, "dass der Harz eine tolerante und bunte Region" bleibt. "Die viele damit verbundene Arbeit wird aktuell durch das Tolerieren dieser verschwörungsideologisch und rechtsextrem durchsetzten Protestbewegung zerstört." Mehr als 1500 Menschen haben bisher unterschrieben.

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