Österreich:Debatte um Pflicht zu Corona-App-Nutzung

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Könnte sich eine Verpflichtung zur Corona-App-Nutzung vorstellen: Der Ex-Innenminister und aktueller Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP). (Foto: REUTERS)
  • Aufregung in Österreich nach Äußerungen des ehemaligen Innenministers Sobotka: Der sprach sich in einem Interview für eine Pflicht zur Nutzung einer Corona-App aus.
  • Vizekanzler Kogler setzt dagegen auf Freiwilligkeit, die Regierung will an handylose Österreicher notfalls bluetoothfähige Schlüsselanhänger verteilen.
  • Die europäische Initiative Pepp PT will derweil am Dienstag die Basis-Software veröffentlichen, auf der die deutsche Corona-App des RKI aufbaut. Mit der eigentlichen App wird in Deutschland erst ab dem 15. April gerechnet.

Von Peter Münch, Wien, und Max Muth, Wien

Österreich setzt zur Pandemie-Bekämpfung auf eine vom Roten Kreuz entwickelte App namens "Stopp Corona". Für Aufsehen sorgte dabei Parlamentspräsident Wolfgang Sobotka, der sich im Magazin Profil dafür aussprach, die Bürger zur Nutzung der App zu verpflichten. Der ÖVP-Politiker, der als Vertrauter von Kanzler Sebastian Kurz gilt, ruderte allerdings nach heftiger Kritik zurück und erklärte, "wir bleiben auf dem Weg der Freiwilligkeit".

Die breite Nutzung der App gilt als wichtige Begleitmaßnahme bei einer von der Regierung nun in Aussicht gestellten Lockerung der Beschränkungen, nachdem es am Wochenende in Österreich erstmals mehr Genesene als Neuinfizierte gab. Insgesamt wurden bis Sonntag knapp 12 000 Corona-Fälle und 204 Tote verzeichnet.

Die politische Diskussion um die Nutzung von "Big Data" zur Corona-Eindämmung ist von Kurz immer wieder angestoßen worden, ohne dass er sich bislang selber auf Art und Umfang festgelegt hat. Vizekanzler Werner Kogler von den Grünen sprach sich nach dem Sobotka-Vorstoß deutlich gegen eine verpflichtende App aus. Er setzt darauf, dass sich ein sehr großer Prozentsatz der Bevölkerung freiwillig für die Nutzung entscheidet. Für die rund zwei Millionen Österreicher ohne Smartphone soll es nach Vorstellung der Regierung einen Schlüsselanhänger geben, der ebenfalls ihre Kontakte festhält.

200 000 Österreicher nutzen die Software bereits

Auf dem Markt ist die "Stopp Corona"-App seit Ende März, bislang gibt es rund 200 000 Nutzer. Persönliche Begegnungen werden via Bluetooth erfasst und mit einem sogenannten digitalen Handschlag anonymisiert gespeichert. Im Falle einer gemeldeten Infektion werden alle Kontaktpersonen der zurückliegenden 48 Stunden informiert. In der bislang vorliegenden Version der App erfolgt die Vernetzung allerdings nicht automatisch, sondern muss von allen Beteiligten genehmigt werden. Für Zufallskontakte zum Beispiel im Supermarkt oder in öffentlichen Verkehrsmitteln ist das nicht praktikabel.

Am kommenden Donnerstag soll es deshalb eine Aktualisierung geben, bei der die Kontakte auf Wunsch automatisch gespeichert werden. Dann sollen auch Verdachtsmeldungen verschickt werden können. Nach Angaben des Österreichischen Roten Kreuzes ist dies dann die erste App mit diesen Funktionen in Europa.

Auch in anderen EU-Ländern wird an derartigen Tracing-Apps gearbeitet. Am Dienstag will eine Initiative europäischer Forscher die technische Grundlage für eine gesamteuropäische Lösung veröffentlichen. Das Projekt namens Pepp-PT ist die Basis-Software für Corona-Apps zahlreicher europäischer Staaten und soll unter anderem die Privatsphäre der Nutzer und den sicheren Datenaustausch zwischen Staaten garantieren. Pepp-PT-Leiter Chris Boos rechnet damit, dass eine vom Robert-Koch-Institut mitentwickelte deutsche Tracing-App dann frühestens ab dem 15. April zur Verfügung stehen dürfte. Bis dahin, so sagte er, sei es Aufgabe der Politik, möglichst viele Bürger von dem Nutzen einer solchen Tracing-App zu überzeugen.

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© SZ vom 06.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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