China und Taiwan:Xi droht Taiwan mit gewaltsamer Rückeroberung

Lesezeit: 3 Min.

"Wir behalten uns die Möglichkeit vor, alle erforderlichen Mittel zu ergreifen." Chinas Präsident Xi Jinping schickt eine Warnung von besorgniserregender Härte nach Taiwan. (Foto: AFP)
  • Das Verhältnis zwischen Taiwan und China ist schlecht wie seit vielen Jahren nicht mehr.
  • In ihrer Neujahrsansprache erklärte Taiwans Präsidentin Tsai, keine Zugeständnisse hinsichtlich der Autonomie des Inselstaats zu machen.
  • Chinas Präsident Xi droht nun mit Gewalt, um eine Wiedervereinigung zu erzwingen.

Von Lea Deuber

Es war eine Eskalation mit Ansage. In ihrer Neujahrsansprache erklärte Taiwans Präsidentin Tsai Ing-Wen, dass ihr Land nicht bereit sei, die eigene "Souveränität aufzugeben oder Zugeständnisse hinsichtlich der Autonomie zu machen". Die Antwort des chinesischen Präsidenten Xi Jinping folgte prompt, Provokationen dieser Art beantwortet Peking meist unmittelbar. Besorgniserregend war die Härte, mit der Chinas Präsident auf Tsais Ansprache reagierte.

In einer Rede sagte Xi, keiner und keine Partei könne den Trend in Richtung Vereinigung aufhalten. Eine Unabhängigkeit Taiwans sei eine Sackgasse und widerspreche dem Trend der Geschichte. China wolle eine friedliche Wiedervereinigung erreichen, lasse aber "keinen Raum für separatistische Aktivitäten". Das Land gebe kein Versprechen ab, auf die "Anwendung von Gewalt" zu verzichten: "Wir behalten uns die Möglichkeit vor, alle erforderlichen Mittel zu ergreifen." China müsse und werde wiedervereinigt werden.

Taiwan
:Gespaltene Insel

Der Anti-China-Kurs der Regierungschefin geht nicht auf. Als Reaktion auf die Wahlschlappe kündigte Tsai Ing-wen ihren Rückzug an. Profiteur könnte nicht nur die chinafreundliche Oppositionspartei KMT sein.

Von Lea Deuber

Taiwans Präsidentin Tsai Ing-Wen wies am Mittwoch die Drohung aus Peking zurück. Wie schon in ihrer Neujahrsansprache am Vortag sagte sie, dass Taiwan keine Zugeständnisse hinsichtlich seiner Autonomie machen werde. Peking müsse sich der Realität stellen: Taiwan werde "seine Souveränität nicht aufgeben".

Auch wenn die Drohung einer Zwangsvereinigung sicher zunächst übliches Säbelgerassel aus Peking bleibt, zeigt sie, wie angespannt die Beziehungen zwischen beiden Ländern inzwischen sind.

Taiwan und die Volksrepublik China sind seit dem Bürgerkrieg Mitte des vergangenen Jahrhunderts voneinander getrennt. Die Kommunisten hatten sich 1949 gegen die rivalisierenden Nationalisten durchgesetzt und auf dem Festland die Volksrepublik China ausgerufen. Die unterlegenden Gegner waren daraufhin auf die 160 Kilometer vor dem Festland liegende Insel Taiwan geflohen und bildeteten dort eine eigene Regierung.

China betrachtet die Inselrepublik, die demokratische Wahlen abhält und eine eigene Währung und ein eigenes Rechtssystem hat, bis heute als einen abtrünnigen Landesteil und droht mit einer Rückeroberung. Um den Konflikt nicht eskalieren zu lassen, hat Taiwan nie formell seine staatliche Unabhängigkeit erklärt. Offiziell gilt ein Konsens aus dem Jahr 1992, wonach beide zu einem China gehören, aber unterschiedlich auslegen, was das bedeutet. China hat eine Unabhängigkeitserklärung durch Taiwan in der Vergangenheit mehrfach als eine rote Linie bezeichnet, die das Land "niemals akzeptieren" werde, wie Präsident Xi Jinping im Herbst 2017 sagte. Im Frühjahr vergangenen Jahres erklärte er in Peking vor den Delegierten des chinesischen Nationalparlaments, "keinen Zentimeter dieses wunderbaren Landes" abzutreten. Die Taiwan-Frage ist in China eine nationalistisch aufgeladene Debatte. Als Teil des Wiederaufstiegs Chinas zu einer Weltmacht skizzierte Präsident Xi Jinping bereits mehrfach auch die Wiedervereinigung Taiwans mit der Volksrepublik.

Das Verhältnis zwischen Taiwan und China ist seit dem Amtsantritt der Präsidentin Taiwans Tsai Ing-wen schlecht wie seit vielen Jahren nicht mehr. 2016 hatte die Fortschrittspartei DPP die Wahlen mit dem Versprechen gewonnen, anders als die Vorgängerregierung wieder stärker auf Distanz zu China zu gehen. Als Reaktion auf Tsais Weigerung, eine abgeschwächte Form des Ein-China-Prinzips zu unterstützen, kappte China die offiziellen Kanäle nach Taipeh. Fünf der meist kleinen 22 Staaten, die Taiwan zuletzt noch offiziell anerkannten, kamen Pekings Aufforderungen nach und beendeten ihre diplomatischen Beziehungen mit dem Inselstaat.

Auch Deutschland hält offiziell keine diplomatischen Beziehungen zu Taiwan. Viele Unternehmen weltweit knickten zudem nach Drohungen aus Peking ein und lösten in ihren Systemen die Länderkategorie "Taiwan" auf. Flüge oder Hotels in Taiwan werden nun bei vielen Konzernen ebenfalls unter der Kategorie "VR China" geführt. Mehrfach hat China zuletzt auch Militärübungen vor der Küste des Landes ausgeführt.

In einem Jahr sind Nationalwahlen in Taiwan. Im Wahlkampf werden die immer aggressiveren Drohungen aus China eine entscheidende Rolle spielen. Die regierende Fortschrittspartei DPP steht vor der Frage, wie sie ihre Kampagne in den kommenden Monaten führen will. Die KMT propagiert offensiv die Wiederannäherung an China.

Tsais China-Politik ist in ihrer eigenen Partei vielen zu hart und anderen zu weich. Die Isolationsversuche Pekings sowie die zunehmend bedrohlichen Forderungen von Chinas Präsident Xi nach einer Wiedervereinigung führen in Taiwan immer wieder zu Massendemonstrationen. Tausende forderten zuletzt bei Protesten die formale Unabhängigkeit von China, um sich von den ständigen "Gängelungen" des Nachbarstaats zu befreien. Viele junge Menschen, die nie in der Volksrepublik gelebt haben und im demokratischen Taiwan aufgewachsen sind, fühlen sich primär als Taiwaner, nicht als Chinesen. Das stürzt Taiwan in ein nur schwer aufzulösendes Dilemma, will es einen offenen Konflikt mit Peking verhindern.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: