Vereinte Nationen:Wie China die Welternährungsorganisation beherrscht

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Qu Dongyu, der chinesische Chef der Welternährungsorganisation, hat bei der anstehenden Wahl keinen Gegenkandidaten. (Foto: Dominika Zarzycka/imago)

Seit vier Jahren führt Qu Dongyu die Welternährungsorganisation FAO. Nun soll er wiedergewählt werden - obwohl er das Gremium massiv im Sinne Pekings instrumentalisiert.

Von Marc Beise, Rom

Vier Jahre sind eigentlich eine gute Zeit, um zu zeigen, dass man anders ist als erwartet. So lange schon leitet Qu Dongyu die wichtige Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, und so lange schon hadern die Europäer mit ihm. Das Thema hat Gewicht, denn die FAO mit Sitz in Rom ist eine der großen Unterorganisationen der Weltgemeinschaft, mit 11 500 Mitarbeitern und einem Etat von mehreren Milliarden Dollar.

Sie soll helfen, die Produktion und Verteilung von Lebensmitteln in der Welt zu verbessern. Offizielles Ziel ist es, Nahrungsmittelsicherheit für alle Menschen bis 2030 zu erreichen; konkrete Hungersnöte werden vom verwandten World Food Programme ebenfalls in Rom bekämpft.

Das Ergebnis steht so gut wie fest - es gibt keinen Gegenkandidaten

An diesem Sonntag steht die Neuwahl des Generaldirektors der FAO an, und Amtsinhaber Qu Dongyu wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wiedergewählt. Die Mehrheit der Staaten wird bei der Ratssitzung in Rom für ihn stimmen, es gibt keinen Gegenkandidaten - obwohl westliche Staaten mehr Gründe denn je sehen, Qu Dongyu zu misstrauen.

Dabei geht es nicht um die Qualifikation des Kandidaten. Qu Dongyu, 59, ist Biologe, spezialisiert auf Pflanzenzucht und Genetik, und promovierte während eines mehrjährigen Forschungsaufenthalts in den Niederlanden. Zurück in China machte er Karriere in der Wissenschaft, später ging er in die Politik und war zuletzt stellvertretender Agrarminister, ehe ihn seine Regierung zur FAO schickte. In den vergangenen Jahrzehnten stellten traditionell Entwicklungsländer deren Vorsitzenden, 2012 übernahm Brasilien, immerhin G-20-Mitglied. China, das den Plan hat, bis 2049 führende Weltmacht zu werden, brach mit der Übernahme des Amtes 2019 endgültig mit der Tradition.

Peking betrieb die Kandidatur, so jedenfalls die europäische Sichtweise, mit Brachialgewalt. Staaten sollen Schulden erlassen worden sein, damit kein Gegenkandidat aus der Gruppe der 77, einem Zusammenschluss der Staaten des Globalen Südens, aufgestellt wurde. Minister sollen ihre Stimmzettel in der Wahlkabine fotografiert haben, um zu zeigen, dass sie sich chinafreundlich verhalten haben.

Hilfe bekomme, wer China nützlich ist, heißt es

Die Europäer hatten eine eigene Kandidatin aus Frankreich ins Rennen geschickt, die jedoch chancenlos blieb, auch weil die USA unter Präsident Donald Trump mehr oder weniger öffentlich den Schulterschluss mit Peking betrieben. Das hatte unter anderem inhaltliche Gründe: China und die USA setzten auf eine möglichst hohe Produktion von Nahrungsmitteln, die Europäer betonen die Notwendigkeit von Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung.

Dieser Konflikt prägt auch die aktuelle Arbeit. BR, MDR, RBB und SWR zeichnen in einer neuen Recherche detailliert nach, wie Qu Dongyu die FAO personell, organisatorisch und inhaltlich umgebaut und auf die Interessen Chinas ausgerichtet hat. Dabei geht es zum Beispiel um Lieferungen in Entwicklungsländer von in Europa verbotenen Pestiziden, die mehrheitlich aus einem chinesischen Agrarchemiekonzern stammen, sowie fragwürdige Investitionsvorhaben, die mit dem Projekt "Neue Seidenstraße" verknüpft sind. Hilfe bekomme, wer China nützlich ist, heißt es. Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine verschärfte sich der Konflikt, Qu Dongyu versuchte den Krieg aus der FAO herauszuhalten, indem er im Sinne Pekings eine Verurteilung Russlands ablehnte.

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Dieses Vorgehen wird in der EU und auch in Deutschland sehr kritisch gesehen. Aber die Bundesregierung hält sich offiziell zurück, obwohl Deutschland nach den USA der zweitgrößte Geldgeber der FAO ist. Das Thema ist Teil der allgemeinen China-Politik, die sich zwischen stillem und öffentlichem Protest bewegt. Dazu gehört, dass die Europäer sich mit der Wiederwahl des Generaldirektors abgefunden haben. Deshalb verzichten sie bei der Wahl am Sonntag auf einen Gegenkandidaten, der wohl ohnehin keine Chance hätte. Widerstand soll eher auf diplomatischem Weg hinter den Kulissen geübt werden. Immerhin, heißt es, nenne die FAO mittlerweile den Krieg in der Ukraine beim Namen und helfe den Bauern dort.

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