Corona in Peking:Lockerungen, aber kein neuer Kurs

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Die strengen Lockdownregeln sperren viele Bewohner in Peking und anderen Metropolen wochenlang aus dem öffentlichen Leben aus. (Foto: Thomas Peter/Reuters)

China lockert einige seiner Corona-Maßnahmen. Eine Abkehr von der Null-Covid-Strategie ist das aber nicht. Der Frust in der Bevölkerung steigt spürbar.

Von Lea Sahay

Es klingt zunächst nach guten Nachrichten. China lockert seine strikten Einreisebeschränkungen, Reisende müssen nach ihrer Ankunft nur noch fünf Tage in Hotel-Quarantäne. Zwischenzeitlich waren es 21 Tage, zuletzt noch eine Woche. Verkürzt wird auch die Länge der Zwangsquarantäne für Menschen, die innerhalb Chinas als enger Kontakt eines Corona-Infizierten identifiziert wurden. Und besonders eine Ankündigung dürfte viele Chinesen freuen: Die Behörden wollen zukünftig auf die Verfolgung sogenannter Sekundärkontakte verzichten. Das heißt, Personen, die nur über Ecken Kontakt mit einem Infizierten hatten. Die Nachverfolgung hatte bei Ausbrüchen immer wieder zu Chaos und auch willkürlichen Quarantäne-Maßnahmen geführt.

Ein grundsätzlicher Kurswechsel, das betont auch die Regierung in Peking, sind die Lockerungen aber nicht. Während die meisten Länder weltweit versuchen, mit dem Virus zu leben, hält China an seiner strengen Null-Covid-Strategie fest. Die Vorgehensweise sei "standhaft zu unterstützen", erklärte der von Staats- und Parteichef Xi Jinping geleitete Ständige Ausschuss des Politbüros der Kommunistischen Partei zuletzt. "Wir müssen resolutere und entschlossenere Maßnahmen ergreifen, um die Ausbreitung der Epidemie so schnell wie möglich einzudämmen und die normale Produktions- und Lebensordnung so bald wie möglich wiederherzustellen."

Zu Beginn der Pandemie hatte das Land großen Erfolg mit seiner strengen Politik, mithilfe von Ausgangssperren, Einreisebeschränkungen und fast lückenloser Nachverfolgung gelang es den Behörden, die Corona-Zahlen im einstelligen Bereich zu halten. Mit der Ankunft der hochansteckenden Omikron-Variante änderte sich das aber Anfang 2021. Weil es seitdem immer wieder zu - nach chinesischem Maßstab - größeren Ausbrüchen kommt, sehen sich die Behörden gezwungen, langwierige Lockdowns und alltägliche Massentests durchzuführen.

Die Infektionszahlen steigen, der Unmut der Chinesen wächst spürbar

Das Problem ist, dass ausgerechnet viele Ältere im Land nicht geimpft sind oder ihnen der Booster fehlt. Dabei gilt die Auffrischung als besonders wichtig, da die in China verwendeten Totimpfstoffe erst mit der dritten Dosis einen hohen Schutz gegen schwere Krankheitsverläufe versprechen. Sollte Peking die Kontrollen komplett aufheben, dürften viele Menschen im Land ernsthaft erkranken oder gar sterben. Ein Risiko, das Chinas Regierung nicht eingehen will.

Zuletzt reichten allerdings auch die sehr strikten Maßnahmen nicht mehr. Gerade in den vergangenen Wochen stiegen die Infektionszahlen wieder stark. Am Samstag meldete die Gesundheitskommission mehr als 14800 neue Corona-Fälle, was für China ungewöhnlich viel ist. Nach ausländischen Schätzungen gelten gegenwärtig Ausgangsbeschränkungen für viele Millionen Menschen, die für rund ein Zehntel der Wirtschaftsleistung verantwortlich sind.

Betroffen ist die 19-Millionen-Stadt Guangzhou im Süden Chinas, die zu Teilen abgeriegelt ist. Die Folge sind unter anderem Verzögerungen in den Häfen Guangzhou, Shenzhen und Hongkong. In Peking, das zuletzt 300 neue Fälle verzeichnete, wurde eine bereits verschobene Automesse für dieses Jahr endgültig abgesagt. Die Bevölkerung wurde aufgerufen, sich vorerst täglich zu testen.

Die strikte Politik hatte zuletzt für großen Frust gesorgt. Viele Menschen sind genervt von den chaotischen Corona-Regeln, die sich zum Teil von einem Häuserblock zum nächsten unterscheiden. Die sogenannten Gesundheits-Apps, mit denen sich die Chinesen überall am Eingang zu Gebäuden und öffentlichen Plätzen einscannen müssen, sind zum Teil sehr unzuverlässig.

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Eine fehlerhafte oder zu strenge Nachverfolgung kann dazu führen, dass Menschen bei Geschäftsreisen für Tage festhängen oder in der eigenen Stadt nicht mehr nach Hause dürfen. Auch Touristen sind immer wieder von plötzlichen Rückreisestopps betroffen. Für Wut hatten auch Fälle von Menschen geführt, die in Quarantänelagern oder ihren Wohnungen gestorben waren, weil sie aufgrund von Ausgangsbeschränkungen keinen Arzt aufsuchen durften.

Die fehlende Exit-Strategie von der Null-Covid-Politik hat zuletzt auch die Zuversicht ausländischer Unternehmen in den Markt verringert, wie eine aktuelle Befragung von mehr als 400 deutschen Unternehmen in der Region Asien-Pazifik bestätigt. Demnach gehen diese davon aus, dass sich die Konjunktur im restlichen asiatisch-pazifischen Raum absehbar besser entwickelt als in China. Fast die Hälfte der Unternehmen erwartet für die kommenden zwölf Monate eine positive Entwicklung der eigenen Geschäfte, in China blicken nur 28 Prozent der deutschen Firmen optimistisch ins nächste Jahr.

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