Bundeswehrreform:Aussitzen gegen Durchpeitschen

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Die große Reform der Bundeswehr ist derart zwingend, dass sich kein Fachmann verschließen kann. Denn beides zugleich - sparen und Wehrpflicht beibehalten - geht nicht.

Stefan Kornelius

Die große Reform der Bundeswehr unterliegt einer bestechenden Zwangsläufigkeit. Derart zwingend sind die Argumente, dass sich kaum ein Fachmann verschließen kann. An der Spitze der Befürworter stehen die Berufssoldaten selbst, weil sie mit der Verkleinerung der Truppe die Hoffnung verbinden, ihre Arbeit ohne die permanente Reformdebatte und mit der nötigen Ausstattung machen zu können. Aber auch die Traditionalisten, vor allem in der Union, werden sich entscheiden müssen: Sparen oder Wehrpflicht beibehalten - beides zugleich geht nicht.

Junge Bundeswehrsoldaten schwören im Hof des Neuen Schlosses in Stuttgart beim Öffentlichen Gelöbnis auf die deutsche Fahne. Die Reform der Bundeswehr ist zwangsläufig. Fragt sich nur, ob und wie sich Verteidigungsminister Guttenberg mit seinen Vorschlägen durchsetzen wird können. (Foto: ddp)

Am Anfang steht der Beschluss der Regierung, bis zum Jahr 2014 die Summe von 8,3 Milliarden Euro beim Militär zu sparen. Wer dieses Geld zusammenbringen will, der muss die Strukturen der Streitkräfte verändern. Und wer die Strukturen verändert, der kommt nicht daran vorbei, die Wehrpflicht auszusetzen, die schon jetzt ungerecht und sicherheitspolitisch anachronistisch ist. Bleibt nur eines: Die Koalition muss den politischen Willen zur großen Reform aufbringen, sie muss sich auf ein neues Zeitalter der Wehrpolitik einlassen, wieder einmal Standorte schließen und Rüstungsprojekte streichen. Da aber gibt es Widerstand.

Wenn der Verteidigungsminister nun seine Präferenzen erkennen lässt, dann nimmt er die Kanzlerin und das gesamte Kabinett in Haftung. Er tut dies in der Gewissheit, dass es anders nicht geht, dass also die Wehrpflicht ausgesetzt werden muss und die Streitkräfte professioneller werden können. Er tut dies vor allem aus der Überzeugung, dass er die Argumente auf seiner Seite hat. Argumente sind aber nicht automatisch Stimmen. Guttenberg vernachlässigt das eigentliche politische Geschäft: Er müsste die Zweifler und die Zögerlichen mitnehmen, er müsste der Reform mehr Zeit zum Reifen geben.

Zwei sture Charaktere testen ihre Durchsetzungsfähigkeit

Bundeskanzlerin Angela Merkel wird deswegen die Festlegung zu diesem Zeitpunkt gar nicht schmecken. Sie weiß, dass die Reform durch die Parteigremien und anschließend sogar durch einen Parteitag muss.

Die Hürden liegen auch deswegen so hoch, weil es erstaunlich wäre, wenn die Lager in der Union, vor allem die Landesfürsten, diese Großreform nicht als Verhandlungsmasse für andere Konfliktthemen nutzten.

Noch Ende Juli ließ Merkel den irritierenden Satz fallen, "wegen zwei Milliarden kann ich nicht die deutsche Sicherheit aufs Spiel setzen". Das gab all jenen Hoffnung, die noch an den Erhalt der Wehrpflicht glauben. Außerdem ließ sie Guttenberg mit dem Satz ihr Misstrauen spüren. Merkel will offenbar die Reform noch vor sich hinmendeln lassen, bis aller Streit verraucht ist. Der Verteidigungsminister hingegen liebt den Überraschungsangriff. Da prallen politische Stile aufeinander. Zwei sture Charaktere der Union testen ihre Durchsetzungsfähigkeit. Dabei wird es in der Sache kaum unterschiedliche Ziele geben können. Die Reform ist zwangsläufig.

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