Panzerhaubitze 2000:Die Faust, die zuschlägt

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Eine "Panzerhaubitze 2000" (im Bild vorne rechts) kann bis zu 60 Geschosse laden, diese können - je nach Typ der Munition - bis zu 40 Kilometer weit fliegen. (Foto: IMAGO/Björn Trotzki)

Sieben "Panzerhaubitzen 2000" wird Deutschland an die Ukraine liefern. Welche Stärken das Artilleriegeschütz hat - und warum die Bundeswehr selbst jede Haubitze braucht.

Von Mike Szymanski, Berlin

Die Panzerhaubitze 2000, von denen die Regierung nun sieben an die Ukraine liefern will, ist ein gewaltiges Geschütz aus deutscher Produktion. Es gehört zur Rohrartillerie, die aus der Distanz die Truppe im Gefecht unterstützt. Das Geschütz, Kaliber 155 Millimeter, ist auf einer Kettenpanzerwanne montiert. Die Panzerhaubitze ist etwa 3,50 Meter breit wie hoch und mit Rohr fast zwölf Meter lang und schafft 60 Kilometer pro Stunde. Sie kann bis zu 60 Geschosse laden. Ein jedes wiegt bis zu 43 Kilo. Je nach Typ der Munition können sie bis zu 40 Kilometer weit fliegen.

Dort, wo die Sprengsätze explodieren, "möchte man nicht reingeraten", sagte unlängst ein Panzerhaubitzen-Kanonier der SZ bei einem Besuch der Artillerie-Truppe in Litauen. Dort verstärkt Deutschland mit seinen Soldatinnen und Soldaten die Nato-Ostflanke und führt einen Gefechtsverband an.

Im Umkreis von 50 Metern überlebe niemand, erklärte der Soldat. Mehrere Tausend Splitter würden alles zerstören. Auch können die Soldaten die Geschosse so einstellen, dass diese über den Köpfen der Gegner explodieren. Die Splitter durchbohren auch gepanzerte Fahrzeuge. Gegen feindliche Panzer können die Besatzungen Spezialmunition einsetzen, die mit ihren Sensoren die Fahrzeuge automatisch erkennen und die in der Lage ist, deren Stahl zu durchbrechen.

Die Panzerhaubitze für sich allein betrachtet ist wenig effektiv

Neben Sprenggeschossen kann die Panzerhaubitze Leuchtmunition verschießen. Einerseits kann sie damit gezielt Markierungen setzen, andererseits bei Nacht große Abschnitte des Gefechtsfeldes beleuchten. Zusätzlich kann sie mit speziellen Geschossen Nebelwände erzeugen.

Die Panzerhaubitze für sich allein betrachtet ist wenig effektiv. Ein Geschützführer erklärte der SZ, sie sei lediglich "die Faust", die zuschlägt. Weil sie aus kilometerweiter Distanz zum Gefechtsgeschehen operiere, sei sie darauf angewiesen, von Beobachterteams Informationen über die Art des Feuers und das genaue Ziel zu bekommen. Da die Systeme im Einsatz unter extrem hoher Belastung stehen, gehörten Instandsetzungs- und Versorgungstrupps unbedingt zur Einheit. Bei einer Übung in Litauen hatten die Deutschen mit technischen Problemen ihrer Systeme zu kämpfen, weil sie im Kern alle um die 20 Jahre alt sind.

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Von den Panzerhaubitzen 2000 hat die Bundeswehr ursprünglich 185 angeschafft. Sie wurde um das Jahr 2000 in der Truppe eingeführt. Mit der Hinwendung der Bundeswehr zu Auslandseinsätzen sollte die Zahl der Geschütze ursprünglich auf 89 reduziert werden. Nach der Annexion der Krim durch Russland wurde der Abbau gestoppt. Panzerhaubitzen, die zur Verschrottung vorgesehen waren, wurden reaktiviert.

Heute verfügt die Bundeswehr über 121 Systeme, zwei davon stehen bereits in Museen. Eine deutsche Panzerhaubitze 2000 kam erstmals in Afghanistan zum Einsatz. Im Juli 2010 feuerte sie die ersten Schüsse in einer Gefechtssituation ab. Zur Bergung eines Gefechtsfahrzeuges nach einem Sprengstoffanschlag hatte die Besatzung Nebelgranaten verschossen, um den Taliban die Sicht zu nehmen. Über all die Jahre betrachtet blieb der Einsatz der Artillerie in Auslandseinsätzen aber eher die Ausnahme.

Die Geschütze kommen nicht aus dem Bestand der aktiven Truppe

Die Artillerie-Truppe ist mit jeder Reform seit der Wende kleiner geworden. Zu Zeiten des Kalten Krieges umfasste sie noch 42 000 Soldaten - heute sind es noch 3500. Es gab 81 voll ausgestattete Artilleriebataillone - daraus wurden erst 34, dann 20, dann fünf. Heute sind es noch vier.

Bei der Artillerie habe die Bundeswehr einen "eingestandenen Mangel", sagte noch Ende April Generalleutnant Kai Rohrschneider, Abteilungsleiter Führung Streitkräfte im Bundesministerium der Verteidigung. "Wir brauchen jedes Geschütz". Mittlerweile räumte das Ministerium ein, dass lediglich 40 Panzerhaubitzen einsatzklar seien.

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte versichert, Waffenlieferungen an die Ukraine nur dann zuzustimmen, wenn dies die Bundeswehr nicht weiter schwäche. Nun erklärte ein Sprecher, die Geschütze kämen nicht aus dem Bestand der aktiven Truppe, sondern aus dem Pool der Systeme, die gerade in der Instandsetzung stünden. "Die Entscheidung fällt in enger Abstimmung, auf Vorschlag und mit ausdrücklicher Unterstützung durch den Generalinspekteur", so der Sprecher weiter. Zum kompletten Bild gehört aber auch: Die Artillerie-Truppe wartet auch auf jedes Geschütz, das aus der Instandsetzung zurückkommt.

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