Bundestag - Potsdam:Scholz: noch nicht im Endspurt: Baerbock sieht Chancen

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Kanzlerkandidat Olaf Scholz nimmt an der Diskussionsrunde der Märkischen Allgemeinen Zeitung teil. Foto: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa (Foto: dpa)

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Potsdam (dpa/bb) - SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz sieht sich trotz des Rückenwinds steigender Umfragewerte für seine Partei noch nicht auf der Zielgeraden. "Das war ein Dauerlauf und wir sind jetzt immer noch vor dem Endspurt", sagte der Vizekanzler am Montag bei einer Diskussionsrunde der "Märkischen Allgemeinen" (MAZ) mit den Direktkandidatinnen und Direktkandidaten des Wahlkreises Potsdam. Die SPD erreichte im Meinungstrend des Instituts Insa für "Bild" 25 Prozent. Damit liegt sie in der Sonntagsfrage vor der Union, die auf 20 Prozent kommt, und den Grünen mit 16,5 Prozent.

Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock hält den Einzug ins Kanzleramt weiter für möglich, auch wenn ihre Partei in Umfragen teils an Zustimmung verliert. "Ich glaube, unser Land kann wirklich mehr. Deswegen kämpfe ich, deswegen kämpfen wir Grünen in den nächsten vier Wochen für den echten Aufbruch in unserem Land", sagte Baerbock. Auf die Frage von MAZ-Chefredakteur Henry Lohmar, ob Attacke die neue Strategie sei, sagte sie: "Nicht gegen Herrn Scholz, für mich ist Politik kein Gegeneinander." Es müsse aber benannt werden, dass Kinder in der Corona-Pandemie durchs Raster gefallen seien und die Bundesregierung erst nach eineinhalb Jahren Geld für Luftfilter in Schulen bereitstelle.

CORONA: Baerbock hält das Hamburger 2G-Modell, bei dem Unternehmer Ungeimpfte in Kneipen, Restaurants oder Clubs draußen lassen können, für eine Option. Diejenigen, die sich nicht impfen lassen wollen, könnten nicht auf die Solidarität aller anderen zählen, sagte die Grünen-Chefin. "Dann muss man auch Freiheitseinschränkungen hinnehmen und sagen gut, dann kann man eben nicht in eine Bar gehen, wenn man sich nicht impfen lassen will." Verantwortungsvolle Politik müsse sagen, wie dem vorgebaut werde, dass Schulen nicht wieder schließen müssten. In Hamburg können Veranstalter und Wirte selbst entscheiden, ob sie nur Geimpfte und Genesene einlassen, die weitgehend von den Corona-Einschränkungen befreit sind, oder ob sie Tests akzeptieren.

Scholz rechnet nicht mit einem erneuten Corona-Lockdown und wirbt für weitere Tests in Betrieben und Schulen. "Der Herbst und Winter sind noch schwierig. Wir brauchen Vorsichtsregeln", sagte der SPD-Politiker. Er geht von einer "Pandemie der Ungeimpften" aus. Es sei genug Impfstoff da und jeder könne sich impfen lassen. Deshalb "ließe sich ein neuer Lockdown nicht rechtfertigen", sagte der Vizekanzler. Er betonte: "Wir werden keine Impfpflicht haben, ich bin dagegen." Die FDP-Direktkandidatin Linda Teuteberg warb dafür, dass Getestete keine Nachteile haben. "Wenn Ungeimpfte getestet sind, sollen sie weiter am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können." Der AfD-Kandidat Tim Krause warf Baerbock "Zwangsmaßnahmen" vor.

Baerbock warf der Bundesregierung vor, in der Corona-Pandemie am Parlament vorbei zu regieren. Scholz verwies darauf, dass der Bundestag mit breiter Mehrheit die pandemische Lage verlängert habe. "Es wird auch unterstützt von allen 16 Ländern."

WOHNEN: Scholz warb für einen stärkeren Bau bezahlbarer Wohnungen. Das sei "das Wichtigste, was wir in Deutschland hinkriegen müssen". Von 400.000 Wohnungen, die gebaut würden, müsse ein Viertel gefördert sein. Die CDU-Kandidatin Saskia Ludwig sagte, mit 100.000 Wohnungen komme man nicht weit. Die FDP-Politikerin Teuteberg forderte, mehr zu bauen, aber auch günstiger. Der Linke-Direktkandidat Norbert Müller warb für einen Mietendeckel, damit keine Profite mit Miete mehr gemacht würden.

BILDUNG: Bei einer Veranstaltung der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Potsdam trafen Scholz und Baerbock am Abend gleich noch einmal aufeinander. Beide betonten dabei die Bedeutung von Chancengerechtigkeit in den Schulen. "Wenn man sagt "Alle Kinder haben die gleichen Cbancen", dann redet man an der Lösung des Problems vorbei", sagte Baerbock. Es hätten eben nicht alle Kinder die gleichen Chancen. Schule bedeute aber, alles zu lernen, was man fürs Leben brauche. "Deswegen sehe ich es so, dass der Bund in eine größere Verantwortung reingehen muss." In der Bildungspolitik solle die Hoheit weiter bei den Ländern bleiben. Aber die Gerechtigkeitsfrage müsse bundesweit über die Sozialpolitik angegangen werden. "Wenn wir beenden wollen, dass jedes fünfte Kind in diesem Land nicht die gleichen Chancen hat, müssen wir jetzt richtig Geld in die Hand nehmen."

Scholz betonte, diese Fragen seien von Anfang an eines der wichtigsten Motive seines politischen Engagements gewesen. Er erinnere sich bis heute an die Situation an seiner Grundschule mit fünf Klasen mit jeweils über 30 Schülerinnen und Schülern, von denen insgesamt nur 7 aufs Gymnasium gekommen seien und einige nicht, obwohl sie gute Schüler gewesen seien. "Das habe ich mir geschworen, das darf nicht so bleiben", sagte der SPD-Politiker. Deshalb hätten ihn an allen Stellen, an denen er politische Verantwortung gehabt habe, Themen wie gebührenfreie Krippen und Kitas, Ganztagsangebote, kleine Klassen und Inklusionsangebote umgetrieben.

© dpa-infocom, dpa:210830-99-28126/5

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