Bundestag:Der Kümmerer

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Ein Lesebuch über den SPD-Politiker Willfried Penner, der einst Wehrbeauftragter war - und an diesem Dienstag 85 Jahre alt wird.

Von Robert Probst

Welche Bundestagsabgeordneten bleiben eigentlich in Erinnerung? Wohl eher die, die sich gern für knallige Schlagzeilen hergeben. Der große Politikbeobachter der vergangenen Jahrzehnte, Günter Bannas, schrieb im März 2001 in der FAZ über einen Mann, der "mit der aufgeregten Welt der Fernsehleute und des Boulevardjournalismus . . . schon früher nichts zu tun haben wollte." Heute hat sich der langjährige SPD-Bundestagsabgeordnete und einstige Wehrbeauftragte, Willfried Penner, längst von den ganz neuen Aufgeregtheiten des Politikbetriebs, die vor 20 Jahren noch nicht mal ansatzweise zu erahnen waren, zurückgezogen. Den sozialen Medien ist er abhold und zu seinem Wirken sagt er bescheiden: "Ich habe mir Mühe gegeben - zeitlebens. Ob das in Erinnerung bleiben wird? Eher nicht, nein."

Anwalt der Soldaten: Willfried Penner (SPD) bei der Vorstellung des Berichts des Wehrbeauftragten im Jahr 2003. (Foto: dpa)

An diesem Dienstag wird Penner 85 Jahre alt und wer alte Bonner und frühe Berliner Zeiten Revue passieren lassen will, der kann sich in das vor einigen Monaten erschienene Willfried-Penner-Lesebuch vertiefen, das nicht nur viel über den Wuppertaler Abgeordneten, sondern auch über die SPD und die Gesellschaft erzählt. Ein Heimatbuch im besten Sinnen. Irgendwie altmodisch und dennoch erfrischend.

Der Wuppertaler Politik-Journalist Matthias Dohmen hat in dem Büchlein Wichtiges und Unwichtiges, Politik-Weisheiten und "Dönekes" zusammengetragen, gemeinsam mit alten Weggefährten von Penner. Auch der Politpensionär hat einiges beigetragen, etwa Manuskripttexte über Friedrich Engels oder über die Selbstbestimmung der Frau. Dass Dohmen und Penner Duz-Freunde sind, schadet in dem Fall nicht, auch nicht leichte Übertreibungen, dass Persönlichkeiten wie Penner heutzutage in der politischen Landschaft rarer sind als die "Blaue Mauritius".

Matthias Dohmen (Hg.): Sport – Politik – Heimat. Das Willfried-Penner-Lesebuch. NordPark Verlag, Wuppertal 2020. 154 Seiten, 14 Euro. (Foto: N/A)

Penner war von 1972 an im Bundestag, er war Staatssekretär im Verteidigungsministerium unter Helmut Schmidt, stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender, Vorsitzender des Innenausschusses und von 2000 bis 2005 Wehrbeauftragter des Bundestags. Alles wenig spektakulär, aber offenbar nach innen und außen stets wirksam. Klaus Vater, einst Referent bei der SPD-Bundestagsfraktion und später stellvertretender Regierungssprecher, kommt beim Nachdenken über Penner der Fußball-Vergleich mit Herbert Wimmer oder Jupp Kapellmann in den Sinn. Leute wie Wimmer und Kapellmann räumten auf im Mittelfeld und schirmten die großen Gestalter wie Günter Netzer oder Wolfgang Overath ab; "Stabilisatoren", nennt Vater das; nicht unbedingt unumstrittene Persönlichkeiten, aber geachtet - ohne die der Politikbetrieb nicht funktioniert. Unter Kanzler Schröder war Penner für die große Karriere wohl nicht Rot-Grün genug. Ganz vorn stand der Jurist und Staatsanwalt nie, aber er war ein "Kümmerer" (Dohmen).

Nicht von ungefähr kommt übrigens der Fußballvergleich, Penner war auch als Kicker mit hartem, präzisen Schuss bekannt. Und als Mann des besonderen Humors. Auf die Frage des Herausgebers, was an der heutigen SPD vermisse, antwortet er an anderer Stelle knapp und weise: "Politische Strahlkraft".

© SZ vom 25.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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