Bundestag beschließt Gesetzesänderung:Ex-Stasi-Mitarbeiter müssen Jahn-Behörde verlassen

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Zum Schutz der Opfer dürfen künftig keine früheren Mitarbeiter der Staatssicherheit mehr in der Stasi-Unterlagenbehörde arbeiten. Die dafür notwendige Gesetzesänderung ist umstritten: Die SPD warnt davor, latentes Misstrauen gegenüber Ostdeutschen festzuschreiben.

21 Jahre nach der Wiedervereinigung werden die Stasi-Überprüfungen im öffentlichen Dienst ausgeweitet. 47 frühere Mitarbeiter der Staatssicherheit arbeiten derzeit noch in der Bundesbehörde für die Stasi-Unterlagen. Sie sollen nun bei gleicher Bezahlung in andere Behörden versetzt werden.

In der Stasi-Unterlagen-Behörde in Berlin soll nach Willen der Regierung künftig kein Opfer mehr einem ehemaligen Mitarbeiter des Staatssicherheit begegnen. (Foto: dpa)

Der Bundestag beschloss mit den Stimmen der Regierungsfraktionen von CDU/CSU und FDP die umstrittene Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes. Die Beschäftigung ehemaliger informeller und hauptamtlicher Mitarbeiter der Staatsicherheit in der Stasi-Unterlagen-Behörde wird damit grundsätzlich verboten.

Die jetzige Regelung, nach der nur wenige Spitzenpositionen im öffentlichen Dienst überprüft werden können, läuft zum Jahresende aus. Außerdem wird die Frist zur Überprüfung von Beschäftigten im öffentlichen Dienst bis 2019 verlängert und das Recht auf Akteneinsicht erweitert.

Für die nunmehr achte Novelle des Gesetzes gab es erstmals keine breite Mehrheit im Parlament. Die SPD enthielt sich in der Abstimmung, ebenso die Grünen. Die Linken votierten gegen das Gesetz. Die Kritik von SPD und Grünen, die eine Gesetzesänderung nicht grundsätzlich ablehnen, entzündete sich vor allem am geplanten Rausschmiss der "Gruppe 47" genannten Ex-Stasi-Mitarbeiter, die bislang noch in der von Roland Jahn geleiteten Behörde arbeiten.

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) sagte, das latente Misstrauen gegen Ostdeutsche dürfe nicht per Gesetz festgeschrieben werden. Die 47 Mitarbeiter seien mittlerweile seit 20 Jahren in der Behörde tätig und hätten sich nichts zu Schulden kommen lassen. Eine Lösung des Dilemmas könne es nur "in arbeitsrechtlich einwandfreier Weise" geben. Die SPD sei gegen einen Schlussstrich unter die Stasi-Aufarbeitung, doch eine Ausweitung der Überprüfungen ohne Verdacht sei mehr als 20 Jahre nach der Einheit unverhältnismäßig, eine Versetzung verfassungsrechtlich bedenklich.

SPD und Grüne sprachen sich auch gegen die geplante Änderung der Überprüfungsmöglichkeiten aus. Laut Gesetz sollen Beschäftigte im öffentlichen Dienst auf Antrag des Dienstherrn bereits ab der Gehaltsgruppe A9/E9 auf eine frühere informelle oder hauptamtliche Stasi-Tätigkeit überprüft werden können. SPD und Grüne hingegen wollen eine Überprüfung nur in Fällen, in denen tatsächlich Anhaltspunkte für eine frühere Stasi-Tätigkeit vorliegen.

Die Linksfraktion lehnte den Gesetzentwurf generell ab. Die Linke-Abgeordnete Rosemarie Hein begrüßte die Aufarbeitung der SED-Vergangenheit. Opfer müssten dauerhaft ein Recht auf Akteneinsicht haben, erklärte sie, bekräftigte aber auch die Haltung ihrer Fraktion, die Unterlagen des Ministeriums für Staatssicherheit ins Bundesarchiv zu überführen, um eine schnellere und bessere Aufklärung zu garantieren.

Die CDU-Abgeordnete Beatrix Philipp sagte dagegen, die neuen Regeln zur Überprüfung sorgten für Transparenz und für Vertrauen in die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes. Zum Thema Versetzung erklärte sie, es sei eine für die Opfer unerträgliche Situation, wenn sie in der Behörde ehemaligen Stasi-Mitarbeitern begegneten. Man setze zudem auf eine einvernehmliche Lösung. Den Vorwurf, die Regierungskoalition veranstalte eine Hetzjagd, wies Philipp ausdrücklich zurück.

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