Bundespräsident tritt zurück:Die Flucht des "Null-Bock-Horst"

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Horst Köhler schmeißt hin und fügt dem Amt des Bundespräsidenten großen Schaden zu. Der 67-Jährige tritt ab, weil er beleidigt ist und sich der Debatte nicht stellen will. Dies offenbart: Der hölzerne Köhler war bemüht - und überfordert.

Kurt Kister

Es hat wohl noch nie jemand dem Amt des Bundespräsidenten so großen Schaden zugefügt, wie es Horst Köhler an diesem Montag getan hat. Köhler hat die Präsidentschaft dieses Landes nicht bedächtig niedergelegt, etwa weil ihn Krankheit oder ernste Umstände im Familienkreise dazu gezwungen hätten. Nein, er hat das höchste Amt im Staate hingeworfen, weil er beleidigt ist.

Gemeinsam mit Ehefrau Eva-Luise verkündete Horst Köhler Köhler im Schloss Bellevue. Die Unterstellung, er habe einen grundgesetzwidrigen Einsatz der Bundeswehr zur Sicherung von Wirtschaftsinteressen befürwortet, entbehre jeder Rechtfertigung, sagte er - und zeige fehlenden Respekt vor dem höchsten Staatsamt. (Foto: dpa)

Er ist darüber beleidigt, dass ihm, der er immer auch ein politischer Bundespräsident sein wollte, politische Kritik entgegengeschlagen ist. Köhler, angeblich ein Mann mit festem konservativen Wertekanon und ausgeprägtem Pflichtgefühl, wirkt im Moment wie ein Sponti: der Null-Bock-Horst. Man war garstig zu ihm und jetzt mag er nicht mehr mitspielen. Leider ist das Ganze kein Spiel, sondern ein Fußtritt für jenes Amt, das alle Deutschen repräsentieren soll.

Unmittelbarer Anlass der, man muss sagen: jüngsten, Kritik an Köhler war ein Interview, von dem Köhler selbst in seiner sonderbaren Rücktrittserklärung sagte, es habe "zu Missverständnissen führen" können. Köhlers lautes Nachdenken vor einem Radio-Mikrofon über die Außenhandelsnation Deutschland, deren politische Interessen und den im Notfall unumgänglichen Militäreinsatz zur Wahrung solcher Interessen ist und war in der Tat diskussionswürdig.

Die Debatte entstand natürlich auch und in einem freien Land ist es nun einmal so, dass es immer Mitdiskutanten gibt, die überziehen. (Die Linkspartei zum Beispiel lebt politisch davon, zu überziehen.) Gerade die Geschichte der Bundesrepublik ist geprägt von harten, manchmal auch beleidigenden Debatten über Militär und Militäreinsatz. Helmut Schmidt und Helmut Kohl wurden, auch aus ihren eigenen Parteien heraus, Kriegstreiber genannt; Joschka Fischer wurde wegen seiner Haltung zum Kosovo-Krieg tätlich angegriffen.

Bundespräsident Gustav Heinemann, ein Pazifist, stand im verbalen Feuer etlicher Konservativer; Bundespräsident Karl Carstens wurde nicht nur von der damaligen Friedensbewegung beschimpft, weil er durch die Unterzeichnung einschlägiger Gesetze als "Komplize" der Rüstungspolitik von Reagan und Kohl gesehen wurde.

Sie alle haben das ausgehalten, mehr oder weniger stoisch. Aushalten, sich der Debatte stellen gehört zu den demokratischen Primärtugenden. Manchmal und manchem fällt das immens schwer, vor allem dann, wenn man sich bewusst missverstanden sieht. Und je besser einer grundsätzlich über die Dinge Bescheid zu wissen meint, je fester er an das Gute in sich glaubt, desto mehr trifft es ihn, wenn ihn andere kritisieren, ja attackieren. Horst Köhler hat stets an das Gute in ihm geglaubt und daran in seiner offensiven Bescheidenheit nie Zweifel gelassen.

Weil das so ist, meint Köhler nun offenbar, die partiell überzogene, dennoch für die Demokratie normale Kritik gelte nicht ihm, sondern dem Amt, in das er gewählt wurde. Nein, Horst Köhler ist vielmehr eine jener Personen, die es ab und an nötig machen, sehr genau zwischen dem Amt und dem Amtsinhaber zu unterscheiden - zumal da das Köhler selbst nicht mehr gelingt.

Der Beweis dafür sind zwei entscheidende Sätze aus seiner Rücktrittserklärung: "Diese Kritik entbehrt jeder Rechtfertigung. Sie lässt den notwendigen Respekt für mein Amt vermissen." Das ist, mit Verlaub, Unsinn. Die Tatsache, dass einer Deutschlands höchster Repräsentant ist, enthebt seine Reden und Taten nicht der zustimmenden oder ablehnenden Anteilnahme. Jene Präsidenten, die als bedeutend in die Geschichte eingehen werden, haben ihre Bedeutung auch aus der klug und amtsangemessen geführten Kontroverse gewonnen: Gustav Heinemann und Richard von Weizsäcker sind Beispiele dafür.

Horst Köhlers Karriere
:Vom Sparkassendirektor zum Bundespräsidenten

Der CDU-Politiker galt als spröder Finanzexperte, als er 2004 zum Bundespräsidenten gewählt wurde. Als Staatsoberhaupt war er beliebt - doch der Respekt der Polit-Elite blieb ihm versagt.

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Horst Köhler war, man kann es heute nicht anders sagen, im Amt des Bundespräsidenten überfordert. Sein Rücktritt macht dies sehr deutlich. Er hat ebenso überraschend hingeworfen, wie er 2004 überraschend aus dem Hut gezaubert wurde.

Er war eigentlich nur der dritte Mann der Kanzlerin: Angela Merkel und Horst Köhler während der Fußball-WM 2006. (Foto: Angela Merkel und der zurückgetretene Horst Köhler/afp)

Es war damals ein ausschließlich parteitaktisch dominierter Selektionsprozess, an dessen Ende der ehemalige Staatssekretär und IWF-Chef Horst Köhler als faktisch dritte Wahl von Angela Merkel, Guido Westerwelle und Edmund Stoiber zum Präsidenten auserkoren wurde. Der unter den damaligen Umständen beste Kandidat Wolfgang Schäuble durfte nicht zum Zuge kommen.

Köhler hat sich in den folgenden Jahren bemüht. Weil er im guten wie im schlechten Sinne so wenig Politiker war, wurde er beim Volk populär. Seine gebildete Naivität, sein hölzerner Humor, sein schwäbischer Idealismus machten ihn zwar oft zum Gespött der politischen Klasse, ließen aber viele Menschen glauben, er sei einer von ihnen. Diese Popularität und die Schwierigkeit für Union und FDP im Jahr 2009, Köhler zugunsten eines Anderen zu stürzen, sicherten ihm die zweite Amtszeit. Köhler war schon da und das gereichte ihm zum Vorteil.

Nun hat er sich selbst gestürzt. Er wird in die Geschichte eingehen als der Bundespräsident, der zurückgetreten ist. Sein Nachfolger sollte nun einer werden, der anders als Roland Koch Politik durchaus als fast alles sieht und der anders als Horst Köhler sich nicht für das Amt hält. Man möchte einen erfahrenen, klugen Politiker mit Haltung und Mut zum Widerspruch, der bleibt, auch wenn es schwierig wird.

Es gibt einen solchen Mann, der endlich wählbar sein sollte für Schwarz und Gelb und sogar für etliche aus den anderen Parteien. Er heißt immer noch Wolfgang Schäuble.

© SZ vom 01.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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