Bundespräsident Gauck in Polen:Opposition verbindet

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Mehr als ein Signal: Seine erste Auslandreise führt den Bundespräsidenten nach Polen. Mit seiner Lebensgeschichte kann Gauck helfen, das Gönnerhafte in dem schwierigen Verhältnis zum östlichen Nachbarland zu überwinden. Denn gerade in Zeiten der Krise ist die EU auf Polen angewiesen.

Daniel Brössler

In einem Text über die Menschenfeindlichkeit des Kommunismus ist Joachim Gauck vor Jahren auf das Thema Vertreibung zu sprechen gekommen. Den Verlust der Heimat hätten Einheimische und Vertriebene in der frühen DDR als grobes Unrecht empfunden, schrieb er. Eines, "das die Kommunisten noch zementierten, als sie 1950 die Oder-Neiße-Grenze als deutsch-polnische Grenze anerkannten".

Dieses Zitat aus einem Nachwort zum Schwarzbuch des Kommunismus ist Gauck des Öfteren vorgehalten worden. 2010, anlässlich seines ersten Wahlversuches, unkte die Schriftstellerin Daniela Dahn, sie sei gespannt auf den Antrittsbesuch eines Bundespräsidenten Gauck in Polen.

Nun denn. Von allen gegen ihn gerichteten Unterstellungen ist jene des Revanchismus eine, die Gauck zu entkräften besonders leicht fallen dürfte. Nicht, weil er Polen zum ersten Auslandsziel seiner Präsidentschaft gewählt hat. Das ist ein gutes, aber fast schon selbstverständliches Signal. Auch Horst Köhler reiste als erstes, Christian Wulff sehr früh nach Warschau. Vielmehr werden seine Lebensgeschichte, seine Lebensleistung und sein Lebensthema Gauck helfen, eine besondere Verbindung zu Polen herzustellen. In Zeiten der europäischen Krise kann er damit einen wichtigen Beitrag zur deutschen Außenpolitik leisten.

Wenn, wie Gauck in seiner Antrittsrede forderte, trotz und wegen der Krise mehr Europa gewagt werden soll, wird der alte Motor als Antrieb nicht genügen. Deutsche und Franzosen alleine werden Ängste nicht zerstreuen können vor einer Dominanz des alten Kerns der EU. Sie sind angewiesen auf Polen, das bisher außerhalb der Euro-Zone steht und als größtes der mitteleuropäischen Neumitglieder besonderes Gewicht hat.

Eine neue Nähe zwischen Deutschland und Polen schaffen

Das Bekenntnis der polnischen Führung zur europäischen Integration bietet eine Chance, die nicht nur im Gipfelalltag der Regierungschefs genutzt werden muss. Wenn er es klug anstellt, könnte Gauck mithelfen, eine neue Nähe zu schaffen zwischen Deutschland und Polen.

Zwar unterhielt der protestantische Pastor in der DDR bis zum Mauerfall keine besonderen Kontakte nach Polen. Mit einem großen Teil der älteren Elite des Nachbarlandes aber verbindet ihn die Erfahrung der Opposition zu einem sozialistisch-diktatorischen Staatsapparat. Wenn Gauck von seiner Bewunderung spricht für den Mut und die Entschlossenheit, mit der die Menschen in Danzig und Nowa Huta für die Freiheit eingestanden sind, klingt das ehrlich. Polens Beitrag zum Umbruch in Europa zu preisen, gehört deutscherseits längst zur Pflicht.

Gaucks Kür kann darin bestehen, das Gönnerhafte zu überwinden, das gewollt oder ungewollt an fast jedem Lob klebt, das Deutsche den Nachbarn im Osten seit zwei Jahrzehnten immer wieder zuteil werden lassen. Den eigenen Landsleuten wiederum könnte Gauck erläutern, dass Polen Respekt verdient für eine Entwicklung, die jenseits der Oder häufig dynamischer verläuft als diesseits.

Seit dem Mauerfall haben die Polen ihren Blick auf das Nachbarland stärker verändert, als es die Deutschen vermochten. Umfragen belegen, dass Deutschland deutlich mehr Vertrauen genießt als nach den Gräuel des Krieges je zu erwarten gewesen wäre. Nur eine Minderheit, politisch vertreten durch die Partei des einstigen Ministerpräsidenten Jaroslaw Kaczynski, hegt und pflegt das Feindbild. So bleibt es abrufbar bei Streit, den es immer geben wird - sei es wegen eines grenznahen Atomkraftwerkes oder der Vergangenheit, die nie ganz vergeht.

Gauck gehörte stets zu den besonders engagierten Befürwortern eines sichtbaren Gedenkens an die Vertreibung. Das macht ihn nicht zum Revanchisten, zwingt ihn nun aber als Bundespräsident, sich in der Frage so zu erklären, dass es sowohl Deutsche als auch Polen verstehen. Mit dem passenden Ton und den richtigen Worten könnte er eine Menge erreichen.

© SZ vom 27.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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