Bundesgerichtshof:Wie viel dürfen Bundesrichter nebenbei verdienen?

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Schöne Aussichten für Bundesrichter in ihrem ältesten Dienstgebäude. Eine Figurengruppe fängt die Blicke im Foyer des Erbgroßherzoglichen Palais. (Foto: Imago)

Die Nebenjobs der Bundesrichter sind zum Thema geworden. Dabei dürfen sie Vorträge und Reden außerhalb des Gerichts halten. Es ist sogar gewünscht.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Der alljährliche Presseempfang hatte gerade erst begonnen, man stand noch beim Begrüßungssekt im Erbgroßherzoglichen Palais des Bundesgerichtshofs (BGH), da hörte man bereits diese Zahlen, die beschwichtigend klingen sollten. 1000. Gut, manchmal gebe es auch 1500 oder 2000 Euro für einen Vortrag, aber darin steckten viele Abende der Vorbereitung, inklusive Powerpoint-Präsentation. 2000 Euro - das sei doch weit entfernt von Steinbrücks Rednerhonoraren. "Und ich bin besser", scherzte einer.

Man redet neuerdings über Geld in Karlsruhe. Und über die Frage, wie und vor allem bei wem dieses Geld verdient wird. Die Nebenjobs der Bundesrichter sind zum Thema geworden, seit die Bundesregierung Ende vergangenen Jahres eine Kleine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Katja Keul beantwortet hat. Aufmerksamkeit hatte vor allem eine Zahl erregt, natürlich die höchste: Ein BGH-Richter hat es zwischen 2010 und 2016 insgesamt auf stattliche 1,7 Millionen Euro gebracht.

Inzwischen gilt auch als ausgemacht, dass hinter dieser Zahl ein prominenter Name steht: Thomas Fischer, Vorsitzender des zweiten Strafsenats und streitbarer Kolumnist. Sein Fall zeigt freilich, dass der Blick auf die Zahlen nicht ausreicht. Seine wichtigste Geldquelle ist sein Kommentar zum Strafgesetzbuch, für den er im Jahresrhythmus eine Neuauflage schreibt.

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Das juristische Kommentieren ist halb Wissenschaft, halb Praktiker-Handreichung und gehört zu den unverdächtigen Nebenjobs - Fischer hat eben einen juristischen Bestseller gelandet. Ohne seinen Namen zu nennen, nahm BGH-Präsidentin Bettina Limperg ihn vor einer Neiddebatte in Schutz: "Ist es einer Autorin oder einem Autor vorzuwerfen, wenn sie oder er einen erfolgreichen Kommentar verfasst, der beim juristischen Fachpublikum reißenden Absatz findet?"

Die Statistik sieht ohnehin weniger glamourös aus als der Spitzenwert. 2016 haben 92 von 135 BGH-Richtern Geld hinzuverdient; im Durchschnitt waren dies mehr als 11 600 Euro pro Jahr, wie aus den Angaben der Bundesregierung hervorgeht. Der BGH liegt damit knapp vor dem Bundesarbeitsgericht (mehr als 10 300 Euro), aber weit hinter dem Bundesfinanzhof, wo der Zuverdienst über 30 000 Euro liegt. Dafür gelten die Regeln des Beamtengesetzes.

Für wissenschaftliche Schriften und Vorträge bedarf es danach weder einer Genehmigung, noch gibt es eine finanzielle Obergrenze; eine bloße Anzeige an den Gerichtspräsidenten reicht aus - der lediglich bei nachweisbarer Verletzung von Dienstpflichten einschreiten kann. Genehmigungspflichtig sind dagegen etwa Lehre und Fortbildung.

Eine klare Grenze aber formuliert die BGH-Präsidentin selbst: Reine hausinterne Seminare in einer Großkanzlei für einen exklusiven Kreis - da beginne die No-go-Area. "Das würde zu Nachfragen unsererseits führen", sagt Limperg. Weil dadurch zumindest der Eindruck entsteht, ein Richter würde auf eine Seite gezogen - und dafür bezahlt. Viele BGH-Richter versichern auf Nachfrage, sie würden keine Vorträge für völlig einseitig besetzte Veranstaltungen annehmen. So sieht das auch Jens Gnisa, Vorsitzender des Deutschen Richterbundes: "Problematisch ist es, wenn man nur für eine Seite auftritt."

Sollten Richter nicht besser ganz auf die Nebenjobs verzichten?

Also alles in Ordnung? Zu den finanziell besonders attraktiven Materien am BGH zählen das Bank-, das Versicherungs- und das Baurecht. Christian Grüneberg aus dem "Bankensenat" etwa gehört dem Vorstand der Bankenrechtlichen Vereinigung an. Sehr gefragt ist auch der Vorsitzende des Senats, BGH-Vizepräsident Jürgen Ellenberger. Im Februar sprach Ellenberger beim Seminar der "Wertpapier-Mitteilungen" (WM) über Swaps und Kick-backs, übernächste Woche redet er bei WM zur Anlageberatung, im April leitet er in Köln eine Jahrestagung zum Bank- und Kapitalmarktrecht, im Mai ist er mit seinem Senatskollegen Dieter Maihold beim Praktikerseminar in Frankfurt.

Alles seriöse Veranstaltungen, auf denen auch Anlegeranwälte und Wissenschaftler vertreten sind - wenngleich die Bankenseite in dieser Branche immer dominiert. Ellenberger referiert die Rechtsprechung, "er hält seinen Vortrag und dann ist er weg", sagt einer, der häufig dabei ist.

Aber natürlich sitzen in solchen Veranstaltungen auch Interessenvertreter - von Großbanken, Vermögensverwaltern und Großkanzleien, deren Verfahren beim BGH landen. Dass sie nicht nur lernen, sondern gern Einfluss nehmen möchten, liegt auf der Hand. Ob ein solcher Nebenjob heikel ist oder nicht, hängt daher nicht allein von den Regeln der Gerichte ab. Sondern vor allem von der Charakterfestigkeit des Richters.

Sollte man dann nicht besser gleich auf die Nebenjobs verzichten? Die Konsequenzen wären wohl ebenfalls problematisch - Richter, die nur aus ihrem Karlsruher Elfenbeinturm heraus urteilen, verlieren den Blick auf die Wirklichkeit. "Wir brauchen und wünschen Bundesrichter, die sich am fachlichen und gesellschaftlichen Diskurs beteiligen", sagt Limperg. In der Bundesregierung wird derzeit nach Angaben einer Ministeriumssprecherin "erörtert, ob und inwieweit Reformbedarf besteht". Nach einer baldigen Änderung klingt das nicht.

© SZ vom 11.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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