Luftverkehr:Sicherheit am Hamburger Airport nach Geiselnahme verstärkt

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Ein Flugzeug landet hinter Signallichtern auf einem Flughafen. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa/Symbolbild)

Ein Mann durchbricht mit seinem Auto am Hamburger Flughafen alle Absperrungen und rast aufs Flugfeld - der Beginn eines 19-stündigen Geiseldramas, das am Ende unblutig ausgeht. Sechs Wochen danach ist die Tat Thema in einem Bürgerschaftsausschuss.

Von Martin Fischer, dpa

Hamburg (dpa/lno) - Nach der Geiselnahme am Hamburger Flughafen werden die Sicherheitsvorkehrungen am Airport verstärkt - auch bundesweit sollen die Standards überprüft werden. Unter anderem sollen in Hamburg künftig massive Falttore und hydraulisch versenkbare Poller an den vier aktiven Zu- und Ausfahrten ein unberechtigtes Eindringen auf das Flugfeld verhindern, sagte Flughafenchef Michael Eggenschwiler am Donnerstag bei einer gemeinsamen Anhörung des Innen- und Wirtschaftsausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft.

Auch die ansonsten nicht genutzten Notfalltore würden mit Stahlseilen verbundenen Betonpollern zusätzlich verstärkt. Insgesamt solle ein „siebenstelliger Eurobetrag“ investiert werden.

Am 4. November hatte ein 35-Jähriger mit einem Mietwagen eine aus drei Schranken bestehende Absperrung am Flughafen durchbrochen und war auf das Flugfeld gerast. Im Auto saß auch seine vierjährige Tochter.

Nach Angaben des Einsatzführer Matthias Tresp, Chef der Hamburger Schutzpolizei, gab der Mann drei Schüsse aus einer Pistole ab, warf zwei Brandsätze und drohte mit einer Bombe, die sich später als Attrappe herausstellte. „Jede Zugriffsoption wird schwierig, wenn man von Bomben spricht“, sagte er.

Der Täter habe dann über Handy „sehr viel und sehr offen“ mit der Polizei kommuniziert. „Unsere oberstes Ziel war es, die Lage durch permanente Verhandlungen zu beruhigen“, schilderte der Einsatzführer die Situation. Nach 19-stündigen Verhandlungen sei das Konzept aufgegangen. „Um 14.30 Uhr konnten wir ihn endlich dazu bringen, dass er mit seiner Tochter ausgestiegen ist.“

Hintergrund der Tat war ein Sorgerechtsstreit: Der Mann wollte die gemeinsame Ausreise mit seiner zuvor aus der Wohnung seiner Ex-Frau in Stade (Niedersachsen) entführten gemeinsamen Tochter in die Türkei erzwingen. Seit der Tat sitzt er in Untersuchungshaft.

Auskunft vor dem Ausschuss gaben neben Eggenschwiler und Tresp auch die Staatsräte Andreas Rieckhof aus der für den Flughafen zuständigen Wirtschaftsbehörde und Thomas Schuster, der den an Corona erkrankten Innensenator Andy Grote (SPD) vertrat, sowie Hamburgs neuer Polizeipräsident Falk Schnabel. Alle zeigten sich glücklich, dass die Geiselnahme unblutig beendet werden konnte.

„Es ist dem Einsatz aller beteiligten Kräften zu verdanken, dass dieses Mädchen unverletzt gerettet werden konnte“, sagte Rieckhof. Der Flughafen sei „gesetzlich verpflichtet, sich gegen unberechtigtes Eindringen zu schützen“. Die Einhaltung werde durch die Nationale Qualitätskontrollstelle überwacht - zuletzt Ende August/Anfang September - „genau vier Wochen vor dem erfolgten Durchbruch“, sagte er. „Obwohl die Sicherheitsvorkehrungen eingehalten worden sind, vollumfänglich, war es trotzdem möglich.“

„Alarmierung, Kommunikation und Notfallpläne haben gut funktioniert“, resümierte Eggenschwiler. Der Flughafen sei umgehend evakuiert worden und nach Ende der Geiselnahme sei es gelungen, den Flugbetrieb binnen drei Stunden wieder aufzunehmen. Durch die Tat sei aber deutlich geworden, dass die Sicherheitsstandards immer wieder neu bewertet werden müssten, sagte er.

Schuster zufolge hat die Innenministerkonferenz den Bund nach dem Vorfall aufgefordert, bundeseinheitliche Regelungen zu prüfen, mit denen ein Eindringen auf Flughafengelände künftig verhindert werden könne, und eine Anpassung der Rechtslage erbeten. „Ziel ist es, vom Bund eine Leitlinie zu bekommen, welches Sicherheitsniveau in Zukunft anzustreben ist“, sagte Rieckhof.

Vertreter der Opposition erinnerten im Ausschuss daran, dass es nicht das erste Mal war, dass Unbefugte sich Zutritt zum Flugfeld verschaffen konnten: Zehn Mitglieder der Gruppe Letzte Generation hatten am 13. Juli den Zaun aufgeschnitten und waren mit Fahrrädern in Richtung Rollfeld gefahren. Vier von ihnen hatten sich laut Bundespolizei auf Zubringerwegen nahe den Start- und Landebahnen festgeklebt. Auch damals musste der Flugverkehr stundenlang eingestellt werden.

© dpa-infocom, dpa:231214-99-301475/4

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