Bürgerschaft:Kontroverse zu Islam-Verträgen im Verfassungsausschuss

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Ahmad Mansour, Psychologe und Islamismus-Experte. (Foto: Jörg Carstensen/dpa/Archivbild)

Seit Jahren sind die Verträge der Stadt Hamburg mit den islamischen und alevitischen Gemeinden umstritten. Daran änderte auch eine Anhörung im Verfassungsausschuss nichts, zumal auch die befragten Experten und Betroffenen nicht einer Meinung sind.

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Hamburg (dpa/lno) - Die zwischen der Stadt Hamburg und den islamischen und alevitischen Gemeinden geschlossenen Verträge bleiben umstritten. So lobten bei einer Anhörung im Verfassungsausschuss der Bürgerschaft am Donnerstag Vertreter der islamischen Vertragspartner - des Rats der Islamischen Gemeinschaften (Schura), der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib) und des Verbands der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) - die 2012 geschlossenen Verträge als Garanten für Akzeptanz und eine gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe.

Vertreter des Vereins Säkularer Islam Hamburg und des liberal-islamischen Bundes kritisierten dagegen, dass die meisten Muslime in Hamburg gar nicht durch die Vertragspartner der Stadt repräsentiert würden. Zudem sei fraglich, ob die von der Religionsbehörde der türkischen Regierung in Ankara abhängige Ditib und die Schura überhaupt als Vertragspartner geeignet seien.

In den Verträgen werden den muslimischen Verbänden und der alevitischen Gemeinde mehr Rechte eingeräumt. Unter anderem geht es um Feiertage, Religionsunterricht und Seelsorger in Gefängnissen. Derzeit werden sie evaluiert.

Der Vertrag mit den islamischen Verbänden wird wegen der langjährigen Mitgliedschaft des vom Verfassungsschutz als islamistisch eingestuften Islamischen Zentrums Hamburg (IZH) in der Schura und der Abhängigkeit der Ditib von der Regierung in Ankara immer wieder kritisiert. CDU, AfD und FDP hatten eine Aufkündigung gefordert. Das IZH, Betreiber der Blauen Moschee an der Alster, war Ende vergangenen Jahres aus der Schura ausgetreten.

Die Schura sei mit ihren 55 Mitgliedsgemeinden die größte und heterogenste islamische Religionsgemeinschaft der Stadt, sagte die stellvertretende Vorsitzende Özlem Nas. Schon 2004 - lange vor den Verträgen - habe sich die Schura zu einem Islam im Einklang mit den Werten des Grundgesetzes bekannt. Den bei der Anhörung geäußerten Vorwurf einer Hisbollah-Nähe in einer Mitgliedsgemeinde nehme man ernst und werde ihn prüfen, sagte sie.

Als Zeichen gesellschaftlicher Akzeptanz förderten die Verträge „die Identifikation und Selbstwahrnehmung der Hamburger Muslime als Teil ihrer Stadtgesellschaft“, sagte Nas. Damit „entfaltet der Vertrag auch eine präventive Kraft“ gegen eine Radikalisierung.

Rüstem Kuzugüden, Vorstandsmitglied des Ditib-Landesverbands, betonte, dass man bestrebt sei, die teilweise Abhängigkeit zu verringern. Der Hamburger Landesverband befinde sich im Wandel und sei seit der Flüchtlingskrise 2015 nicht mehr nur türkisch geprägt. Es gebe mittlerweile auch viele arabische oder deutsche Gemeindemitglieder. „Wir merken, dass die Pluralität auch in unseren Gemeinden ankommt.“

Peter Mathews vom Verein Säkularer Islam bedauerte, dass der Senat die Evaluation der Verträge nicht einer wissenschaftlichen Kommission überlassen habe. Wichtige Themen wie muslimischer Antisemitismus und islamistischer Extremismus würden ausgeklammert. „Der Staatsvertrag ist auch juristisch kein Vertrag, sondern eine einseitige Erklärung des Senats und der Bürgerschaft. Die Islamverbände verpflichten sich zu nichts, sondern sie erklären lediglich, sich an die Regeln des Grundgesetzes zu halten“, sagte er.

Vom Ausland gesteuerte Gemeinden oder solche, die gegen das Grundgesetz verstießen, dürften nicht Partner im Staatsvertrag sein, sagte Odette Yilmaz, Vorsitzende des Liberal-Islamischen Bunds. Auch könnten die drei Vertragspartner der Stadt nicht die Gesamtheit der Hamburger Muslime repräsentieren. Wie zuvor auch Mathews regte sie ein vom Senat einberufenes Dialogforum an, an dem auch Vertreter eines säkularen Islam beteiligt werden müssten.

Die Forschungsleiterin des Mideast Freedom Forums Berlin, Ulrike Becker, forderte den Senat auf, in Bezug auf Ditib und Schura zu prüfen, „ob sie an der Partnerschaft festhalten will“. In einer Schura-Mitgliedsgemeinde gebe es Verbindungen zur türkischen Hisbollah. Deshalb „müsse geprüft werden, ob hier die postulierte Wertegemeinschaft tatsächlich gegeben ist“.

© dpa-infocom, dpa:230705-99-296662/4

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