Regierungschef Viktor Orban unter Druck:EU überprüft ungarische Gesetze

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Zehntausende gehen in Badapest gegen Regierungschef Viktor Orbán auf die Straße - jetzt erhalten sie Unterstützung aus Brüssel: Die Kommission will einige ungarische Gesetze überprüfen lassen. Sind sie nicht konform mit EU-Recht, drohen Strafzahlungen.

Ungarns rechts-konservative Ministerpräsident Viktor Orbán bekommt für sein umstrittenes Reformwerk im Inland wie im Ausland Empörung zu spüren. Die EU-Kommission teilte am Dienstag in Brüssel mit, sie sei wegen einiger Gesetzesänderungen derzeit nicht zu Verhandlungen über von Orbán beantragte Finanzhilfen bereit.

Die Kommission werde prüfen, ob einzelne Bestimmungen der neuen Verfassung dem EU-Recht entsprechen. Falls nicht, so drohen Orbáns Regierung Strafzahlungen und ein Vertragsverletzungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof.

Ungarn muss in diesem Jahr 4,8 Milliarden Euro Schulden refinanzieren - und hofft auf Hilfe von EU und Internationalem Währungsfonds. Ein EU-Sprecher erteilte Verhandlungen allerdings zum jetzigen Zeitpunkt eine Absage: "Im Moment haben wir keine Pläne, wieder in Budapest zu verhandeln".

Die EU lehne vor allem die Unterstellung der ungarischen Notenbank unter eine neue Behörde ab. Laut EU-Vertrag müsse die Zentralbank unabhängig sein und dürfe nicht den Weisungen einer Regierung unterliegen. Bei Verhandlungen mit Budapest könne es nicht nur um technische Details von Finanzhilfen gehen. "Wir müssen auch über die rechtliche Umgebung reden, die notwendig ist, um finanzielle Stabilität in Ungarn zu gewährleisten", sagte der Sprecher.

In einem Briefwechsel mit Orbán habe EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso zweimal seine Bedenken gegen das Zentralbankgesetz dargelegt. Nun müsse genau geprüft werden, ob die Verfassung tatsächlich - wie von Orbán versichert - im Einklang mit dem EU-Recht stehe.

Während Orbán in der Budapester Oper die Verfassungsänderungen feierte, hatten am Montagabend vor dem Gebäude Zehntausende seinen Rücktritt gefordert. Die Menge rief "Orbán, hau ab!" und "Viktator, Viktator!" Sie forderte die Zurücknahme der neuen Verfassung durch das Parlament. Orbán und die wichtigsten Festgäste verließen das Gebäude über den Hinterausgang. Die Demonstration verlief friedlich.

Kritiker sehen in der Verfassung, die von der Zweidrittelmehrheit der Regierungspartei Fidesz (Bund Junger Demokraten) im Parlament gebilligt wurde, ein Instrument zum Abbau der Demokratie in Ungarn. Mehrere Redner betonten bei der Demonstration, dass die Ungarn ihr Land weiterhin als Republik betrachteten. Mit dem neuen Grundgesetz ändert sich auch der Landesname: Statt "Republik Ungarn" heißt das Land nunmehr einfach "Ungarn".

Zu der Kundgebung hatten mehrere Organisationen aufgerufen, darunter die soziale Bewegung Ungarische Solidarität sowie die Oppositionsparteien MSZP und LMP (Grüne). Das neue Grundgesetz löst die Verfassung von 1989 ab, die die demokratischen Grundrechte sicherte und Ungarn im Kreis der westlichen Demokratien verankerte. In der Verfassung sind zwar ebenfalls die Grundrechte deklariert, doch wurden die Kompetenzen des Verfassungsgerichts stark beschnitten und die Unabhängigkeit der Justiz eingeschränkt.

Die EU-Kommission will daher auch prüfen, ob durch ein neues Gesetz zur Pensionierung von Richtern die Unabhängigkeit der Richter in Ungarn eingeschränkt werde. Ähnliches gelte für ein neues Verfahren zur Bestimmung des unabhängigen Datenschutzbeauftragten. Zudem prüfe die Kommission, ob die Anwendung des bereits Anfang 2010 beschlossenen neuen Mediengesetzes mit dem EU-Recht vereinbar sei. Zunächst wolle die Kommission jedoch feststellen, ob dem Radiosender Club-Radio tatsächlich die Lizenz entzogen worden sei.

© Süddeutsche.de/dpa/sks - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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