Der am 2. Mai 2011 getötete Terroristenführer Osama bin Laden war in den letzten Jahren seines Lebens zunehmend frustriert über seine Machtlosigkeit. Das geht nach Angaben von Militärexperten aus 17 bisher streng geheimen Dokumenten hervor, die bei der Erstürmung des Bin-Laden-Anwesens in der pakistanischen Stadt Abbottabad vor einem Jahr sichergestellt wurden. Demnach war Bin Laden alarmiert über "Fehler" Verbündeter in Ländern wie dem Irak und Jemen und wütend darüber, dass er diese Gruppen nicht kontrollieren konnte.
Das Terrorismus-Zentrum der US-Militärakademie West Point machte 175 von 6000 Seiten Briefe und Briefentwürfe von Bin Laden und anderen ranghohen Vertretern al-Qaidas sowie verbündeter Gruppen auf seiner Webseite publik. Begleitet wurde die Veröffentlichung von Experten-Analysen. Demzufolge war Bin Laden erzürnt über "schlecht geplante Operationen" der Verbündeten, die zum "unnötigen" Tod tausender Muslime geführt hätten.
Der Al-Qaida-Chef habe sich gesorgt, dass das dem Ansehen seiner Organisation in der muslimischen Welt schaden könnte. Es habe ihn auch frustriert, dass sich die Gruppen nicht genügend darauf konzentriert hätten, die USA und deren westliche Partner anzugreifen.
Insgesamt geben die Dokumente Einblick in die Gedankenwelt eines zunehmend isolierten Mannes, wie Terrorismusexperte Peter Bergen dem Sender CNN sagte. Bin Laden sei so stark über die Zukunft al-Qaidas besorgt gewesen, dass er über eine Änderung des Namens der Organisation nachdachte. Er habe auch immer stärker amerikanische Drohnenangriffe auf terroristische Ziele in Pakistan gefürchtet.
Der Terror-Pate kümmerte sich um Kleinigkeiten
Bin Laden habe zunehmend einen Hang dazu gezeigt, sich um jede Kleinigkeit zu kümmern - ein Zeichen seines verzweifelten Versuches, die Kontrolle über al-Qaida zu behalten und weiter "bedeutend" zu sein. So habe er in einem Fall Verbündeten in Nordafrika geraten, Bäume zu pflanzen, damit sie sich im Fall von Drohnen- und anderen Angriffen darunter verbergen könnten.
Aus einem Brief Bin Ladens geht auch hervor, dass er gegen die offizielle Bekanntgabe einer Fusion der somalischen Al-Shabab-Miliz mit seinem Terrornetzwerk war. Die Welt werde letztlich herausfinden, dass sich al-Qaida mit al-Shabab vereinigt habe, schrieb Bin Laden an deren Führer Mukhtar Abu Zubeyr. Sollte die Fusion aber verkündet werden, würden Feinde gegen die somalische Gruppe mobil machen. Trotzdem gaben beide militante Gruppierungen im Februar ihr Zusammengehen bekannt. Der neue Al-Qaida-Chef Ajman Al Sawahri äußerte sich darüber in einem Video erfreut.