Großbritannien:Wie die EU sich auf einen No-Deal-Brexit vorbereitet

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Noch rollt der Verkehr, aber bald könnten hier Zollkontrollen die Fracht bremsen: Ein Lkw kommt im Hafen von Dover an. (Foto: AFP)

Ein Austritt Großbritanniens ohne Vertrag wird immer wahrscheinlicher. Die EU-Kommission hat nun Informationen veröffentlicht, was das bedeuten könnte.

Von Thomas Kirchner

In der EU scheint der Glaube an einen geregelten Austritt Großbritanniens immer mehr zu schwinden. Die Kommission hat die Vorbereitungen für diese Situation deshalb vorangetrieben und neues Informationsmaterial für Bürger veröffentlicht.

Ein No-Deal-Szenario werde "für die Bürgerinnen und Bürger sowie für Unternehmen erhebliche Beeinträchtigungen mit sich bringen", hieß es in einer Mitteilung der Kommission. Schließlich werde das Vereinigte Königreich ohne Übergangsabkommen zu einem Drittland. Das gesamte Primär- und Sekundärrecht der EU gelte für das Vereinigte Königreich dann ab dem Austrittszeitpunkt nicht mehr. Von einer solchen Entwicklungen wäre eine Reihe verschiedener Bereiche betroffen.

Handel: Zölle und Einfuhrbestimmungen

Die Beziehungen Großbritanniens zur EU würden durch das allgemeine Völkerrecht einschließlich der Regeln der Welthandelsorganisation WTO geregelt. Die EU müsste an den Grenzen mit Großbritannien sofort Zölle erheben und müsste kontrollieren, ob eingeführte Tiere oder Agrarprodukte gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Normen einhalten. Zwar seien die Zollbehörden vorbereitet, doch könnten die Kontrollen zu "erheblichen Verzögerungen an der Grenze" führen. Derzeit werden nach EU-Angaben 20 neue Grenzkontrollpunkte eingerichtet. Sie stehen in Frankreich, Belgien und den Niederlanden sowie in Irland, Spanien und Dänemark zur Verfügung.

Grenzübertritt: Kontrollen und Fragen

Verzögerungen könnten auch dadurch entstehen, dass Bürger des Vereinigten Königreichs von sofort an keine Bürger der Europäischen Union mehr wären und deshalb bei der Einreise in die Europäische Union zusätzlich kontrolliert werden müssten. Man versuche dies so effizient wie möglich durchzuführen, hieß es. Zollbeamte könnten die Bürger bitten, ihnen Informationen über den Zweck und die Dauer des Aufenthalts in der EU zu nennen sowie die Frage, wovon sie während des Aufenthalts lebten. Für einen bis zu dreimonatigen Aufenthalt soll kein Visum nötig werden, sofern Großbritannien sein Versprechen hält, mit EU-Bürgern genauso zu verfahren.

Reisen: Roaming, Krankenversicherung, Passagierrechte

Für Großbritannien-Reisen wird in dem Informationsmaterial darauf hingewiesen, dass die Europäische Krankenversicherungskarte nicht mehr gelten würde und dass wieder Zusatzkosten für die Handynutzung anfallen könnten. Zudem müssten EU-Bürger bei der Rückreise mit Zollkontrollen rechnen. Bis 31. Dezember 2020 reicht ein Personalausweis als Dokument, danach wird ein Reisepass nötig sein. Die EU-Passagierrechte werden nur noch auf den Flügen aus der EU nach Großbritannien gelten, nicht mehr auf dem umgekehrten Weg.

Migration: Neue Regeln für Aus- und Einwanderer

EU-Bürger, die schon jetzt in Großbritannien leben und dort über 2021 hinaus bleiben wollen, müssen sich für einen neuen Einwanderungsstatus (Settled Status) bewerben - und zwar auch dann, wenn sie schon ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht besitzen. Für alle, die nach dem Austritt einreisen und bleiben wollen, würden die normalen britischen Einreisebestimmungen gelten. Die Kommission verweist hier auf ein entsprechendes Papier der britischen Regierung.

Behörden: Mehr Personal für mehr Kontrollen

Für den erhöhten Kontrollaufwand planen Staaten mit deutlich mehr Personal. So würden allein in Frankreich 700 Neueinstellungen für den Zoll und andere Überprüfungen vorbereitet, hieß es in Brüssel. In den Niederlanden seien es mehr als 900 und in Belgien 300 bis 400.

Mit mehreren Notfallvorschlägen will die EU sicherstellen, dass die Verkehrsverbindungen nach Großbritannien offenbleiben. Das gilt für den Straßen-, Luft-, Schienen- und Schiffsverkehr.

Für Bürger mit speziellen Fragen steht eine kostenlose Telefon-Hotline (0080067891011) in jeder Amtssprache der EU bereit.

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