Brexit:Die Bewegung reicht noch nicht bis zur Ziellinie

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Die Verhandlungen über einen Handelspakt zwischen EU und Großbritannien sind angeblich vorangekommen. Jetzt erschwert ein Corona-Fall die Gespräche.

Von Björn Finke, Matthias Kolb und Alexander Mühlauer, Brüssel/London

Eine Prozentzahl wollte Ursula von der Leyen nicht nennen, aber die EU-Kommissionspräsidentin erkennt Fortschritte in den Gesprächen mit Großbritannien über einen Handelspakt für die Zeit nach dem Brexit. "Nach schwierigen Wochen mit sehr, sehr langsamen Fortschritten sehen wir jetzt mehr Bewegung bei wichtigen Punkten", sagte sie am Freitag in Brüssel. Es folgte eine Warnung: "Es bleiben noch etliche Meter bis zur Ziellinie."

Zum Zeitdruck kommt nun ein weiteres Hindernis: Wegen eines Coronavirus-Falls im Team von EU-Chefunterhändler Michel Barnier werden die Verhandlungen vorerst virtuell fortgesetzt. Darauf hätten sich beide Seiten verständigt, teilte ein britischer Regierungssprecher am Donnerstagabend kurz nach einem entsprechenden Tweet Barniers mit.

Ob virtuelle Verhandlungen weiterhelfen? EU-Brexit-Chefunterhändler Michel Barnier und die britischen Vertreter treffen sich wegen eines Corona-Falls vorläufig nicht mehr persönlich. (Foto: Frank Augstein/AP)

Persönliche Gespräche würden erst wieder stattfinden, wenn dies sicher sei; die Gesundheit der Mitarbeiter habe Vorrang, teilten beide Seiten mit. Aus London verlautete, dass Chefverhandler Lord David Frost und sein Team Brüssel verlassen würden. Eine Quarantäne-Pflicht gebe es für die britischen Verhandler aber nicht. Barnier befindet sich in Quarantäne; der 69-Jährige hat sich bereits im Frühjahr mit dem Sars-CoV-2-Virus infiziert.

Um die schwierigsten Knoten zu lösen, bleiben gerade noch sechs Wochen Zeit - sonst treten am 1. Januar Zölle in Kraft

In nur sechs Wochen endet die Brexit-Übergangsphase, in der Großbritannien noch Teil des EU-Binnenmarkts und der Zollunion ist. Gelingt es 2020 nicht, einen Freihandelsvertrag zu schließen, würden vom 1. Januar an Zölle und Zollkontrollen eingeführt werden. Am Freitag hieß es, dass der Entwurf eines Vertragstextes weitgehend fertig sei, angeblich zu 95 Prozent. Umstritten sind weiter die Fangquoten für EU-Fischer in britischen Gewässern und das sogenannte Level Playing Field, also Vorgaben für fairen Wettbewerb zwischen Firmen im Königreich und denen in der EU. Offen ist auch, wie Streitfälle geschlichtet werden sollen.

In der Videokonferenz der EU-Staats- und Regierungschefs am Donnerstag hatten Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Belgiens Premier Alexander De Croo darauf gedrungen, die Vorbereitungen für ein "No Deal"-Szenario zu intensivieren. Wird ein Abkommen ausgehandelt, muss es noch vom EU-Parlament ratifiziert werden. Für diesen Fall gilt es als sicher, dass eine Sondersitzung in der Zeit zwischen dem 28. und 31. Dezember nötig wäre.

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