Brasilien:Der Mann, der sich Bolsonaro in den Weg stellt

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Als Gesundheitsbeauftragter seiner Heimatstadt kämpfte Mendetta bereits vor Jahren gegen den Ausbruch von Dengue. (Foto: REUTERS)
  • Brasiliens Gesundheitsminister Luiz Henrique Mandetta stellt sich in der Corona-Krise gegen Präsident Bolsonaro.
  • Während Bolsonaro die Gefahr durch das Virus herunterspielt, setzt Mandetta auf starke Beschränkungen.
  • Der Präsident würde den beliebten Minister am liebsten loswerden, der hält sich jedoch im Amt - auch mit Hilfe des Militärs.

Von Christoph Gurk, Buenos Aires

Es war schon früher Abend, als Luiz Henrique Mandetta am Montag vor die Hauptstadtpresse in Brasília trat. Wie zuletzt fast immer trug er keinen Anzug und keine Krawatte, sondern die dunkelblaue Weste mit großem aufgestickten Kreuz und vielen eingenähten Taschen: Als komme er gerade von einem Notarzteinsatz und nicht aus einem Treffen, in dem es zwar nicht um Leben und Tod ging, immerhin aber um sein Amt als Gesundheitsminister. Den ganzen Tag über gab es Gerüchte über das Ende Mandettas im Amt, die großen Zeitungen hatten die Entlassung durch Präsident Jair Bolsonaro schon gemeldet, doch nun stand Mandetta da, etwas zerknittert, aber auch erleichtert. Ein Arzt verlasse seinen Patienten nicht, sagte er unter dem Applaus seiner Mitarbeiter. "Also werde auch ich bleiben."

Es ist ein Erfolg für Mandetta und eine Niederlage für Bolsonaro, die tief blicken lässt in die Machtverteilung der aktuellen brasilianischen Politik. An der Figur Luiz Henrique Mandetta spiegelt sich ein Machtkampf wider zwischen dem gemäßigten und radikalen Flügel der konservativen Regierung. Angesichts der dramatischer werdenden Corona-Krise droht er, das Land zu zerreißen. Es gilt als gesichert, dass am Ende das Militär, Bolsonaros bisher mächtigster Verbündeter, Mandetta im Amt hielt.

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55 Jahre alt ist der Minister, ein Arzt, der zugleich viel Erfahrung in der Politik hat. Er stammt aus Campo Grande, der Hauptstadt des brasilianischen Sojabauernstaates Mato Grosso do Sul, weshalb dem Politiker beste Beziehungen zur mächtigen Agrarlobby nachgesagt werden. Gleich mehrere von Mandettas näheren Verwandten sind in der Politik aktiv, sein Vater wiederum war ein angesehener Orthopäde. Mit 17 zog Mandetta zum Medizinstudium nach Rio de Janeiro. Später arbeitete er, nach einem Aufenthalt in den USA, als Leutnant am Militärkrankenhaus in Campo Grande.

Mandetta kämpfte mit hohem Einsatz gegen die Ausbreitung von Dengue

2005 holt ihn ein Cousin dann in die Politik. Mandetta wird Gesundheitsbeauftragter seiner Heimatstadt, wo kurz darauf Dengue ausbricht. Die Krankheit wird durch einen Moskito übertragen, der sich in Pfützen und Tümpeln fortpflanzt. Mandetta soll damals persönlich durch Campo Grande gewandert sein, um die Bewohner dazu aufzurufen, alle Wassertonnen, Zuber und offenen Tanks zu leeren. Er hatte Erfolg, und es war dies sein erster großer Auftritt auf öffentlicher Bühne. Selbst Korruptionsvorwürfe konnten ihm später nichts mehr anhaben. Der Dengue-Ausbruch war zudem eine Vorbereitung darauf, was noch kommen sollte - Corona.

2010 wechselte Mandetta als Abgeordneter in den Kongress. Hier machte der konservative Politiker vor allem Stimmung gegen das "Mais Médicos"-Programm der linken Regierung. Sie holte Tausende kubanische Ärzte nach Brasilien und schickte sie in abgelegene Regionen, wo es zuvor kaum eine Gesundheitsversorgung gegeben hatte. Trotz aller Vorteile für die Bevölkerung sah Mandetta die Gefahr der linken Indoktrination für Patienten. Als Abgeordneter war er dazu auch erklärter Abtreibungsgegner. All diese konservativen Positionen führten schließlich dazu, dass der rechtsextreme Politiker Jair Bolsonaro ihn im November 2018 in sein Kabinett holte.

Lange Zeit war Mandetta eine Randfigur, erst die Corona-Krise hat ihn bekannt gemacht. Der Minister ist für Isolationsmaßnahmen, Bolsonaro dagegen, zugunsten der Wirtschaft will der Präsident um jeden Preis zurück zur Normalität. Während Bolsonaros Rückhalt in der Bevölkerung schwindet, wird Mandetta immer beliebter und einflussreicher. Bolsonaro, das ist klar, will Mandetta loswerden. Eine Entlassung aber, so viel steht auch fest, würde mitten in der Corona- auch eine Regierungskrise auslösen. So bleibt Mandetta im Amt, vorerst. Er wolle sich nun auf den Kampf gegen den wahren Feind konzentrieren, sagte er. Der habe nur einen Namen: Covid-19.

© SZ vom 08.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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