Brandbrief der Jugendorganisation:Junge Piraten beklagen Rassismus und Sexismus in der Partei

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Eine Frau wird nicht ernstgenommen, weil sie "zu hübsch" ist, eine andere will sich nicht von Ausländern pflegen lassen: Herrscht in der Piratenpartei ein Klima der Diskriminierung? Die Jugendorganisation versucht mit einem Brandbrief, eine Debatte über Sexismus und Rassismus zu provozieren.

Gerade jetzt müssten die Piraten zusammenstehen. Irritiert vom Umfragehoch der Netzpartei, verstärken Künstler, Politiker anderer Parteien und Medien ihre Kritik an der liberalen Einstellung der jungen Partei zum Urheberrecht. Da eröffnet die Jugendorganisation eine interne Debatte über Rassismus und Sexismus in der Partei.

Die Jugendorganisation der Piraten kritisiert das Klima in der Partei (Bild vom Piraten-Parteitag 2010). (Foto: dpa)

Die Jungen Piraten haben einen Brandbrief geschrieben. Sie schreiben, dass sie ein aggressives Klima für Frauen und Minderheiten in der Partei "mit großer Sorge und zunehmendem Ärger" sehen: "Immer wieder fallen Mitglieder der Partei durch rassistische, sexistische, aber auch anderweitig diskriminierende Aussagen oder Verhaltensweisen auf."

Die Autoren des Briefs, der auf der Website von der Jungen Piratin Laura Schmalenbach veröffentlicht wurde, führen Beispiele an, die sie persönlich miterlebt hätten: Über eine Frau in der Partei soll gesagt worden sein: "Sie sollte mal richtig hart durchgefickt werden, vielleicht entspannt sie sich dann ja mal. " Eine andere sei nicht ernstgenommen worden, weil sie angeblich "zu hübsch" sei. Ein Mitglied wollte Frauen nicht auf die lokalen Stammtische der Partei lassen. Dass die Partei so wenige weibliche Mitglieder hat, vor allem in führenden Positionen, sähen viele gar nicht als Problem: Frauen würden eben "zu nichts gezwungen", außerdem drängten Männer einfach aus biologischen Gründen stärker ins Rampenlicht.

Nicht nur Frauen werden angeblich diskriminiert. "Ausländerkritisch" zu sein gelte für manche als ganz normal. Konkreter Anlass für den Ärger der Autoren war augenscheinlich der Fall einer Piratin, die auf Twitter kundgetan hatte, sie würde sich im Alter nicht von Ausländern pflegen lassen.

Rassistische Äußerungen würden als Einzelfälle abgetan oder mit Verweis auf die Meinungsfreihit verteidigt. Wer Kritik an solchen Sprüchen üben, werde ermahnt, nicht vorschnell zu urteilen, schreiben die Jungen Piraten. Ein häufiger Einwand gegen Kritik an Rassismus ist demnach: Worte könnten nicht verraten, ob jemand tatsächlich Rassist sei - denn man könne schließlich nicht "in den Kopf" der Person sehen. Schon im vergangenen Jahr s tritten die Piraten über den Umgang mit ehemaligen Mitgliedern der rechtsradikalen NPD in den eigenen Reihen.

Dass diskriminierendes Verhalten verteidigt werde, sehen die Autoren des Briefs als Zeichen starker Identifikation mit der Partei: Die Mitglieder setzten große Hoffnung in die Partei, nämlich die Politik in Deutschland ernsthaft zu verändern: "Kritik daran führt zu Verunsicherung und diese wiederum zu Abwehr", heißt es weiter.

Die interne Geschlechterdebatte beschäftigt die Piraten seit langem. Viele sehen ihre Partei als post gender - Geschlechterrollen seien im Gegensatz zu anderen Parteien irrelevant. Andere beklagen, genau diese Einstellung führe dazu, dass Sexismus ignoriert werde. Schon im vergangenen Monat hatte eine Umfrage unter Mitgliedern ergeben, dass sich jede vierte Frau in der Partei schon einmal sexistische Sprüche habe anhören müssen.

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