BP: Anhörung im US-Kongress:Tony Hayward, der reuige Sünder

Lesezeit: 3 min

"Ich bedauere es zutiefst": BP-Chef Hayward entschuldigt sich bei der Anhörung im US-Kongress für den Öl-Unfall. Doch erklären, wie die Umweltkatastrophe über den Golf von Mexiko kam, kann er nicht.

Christian Wernicke, Washington

Tony Hayward weiß, was auf ihn zukommt. Sein Gegenüber, der demokratische Kongressabgeordnete Bart Stupak, hatte ja schon Stunden vor der Anhörung im Unterausschuss für Energie und Handel offen erklärt, was den BP-Manager erwarten würde: "Wir werden ihn in Würfel schneiden", hatte Stupak so ziemlich in jedes Mikrofon gegrummelt, das seinen Weg kreuzte.

Tony Hayward, Chef des Ölkonzerns BP, entschuldigte sich im US-Kongress: "Ich bedauere zutiefst, dass es dazu kam." (Foto: afp)

Um dann stets grinsend hinzuzufügen: "Aber wir machen das strikt fair."

Hayward spielt mit. Er gibt den reuigen Sünder, im gedeckten Anzug und mit roter Krawatte. Gleich auf Seite eins oben stehen in seinem Manuskript die entscheidenden Zeilen, und der 53-jährige Manager liest sie demütig vom Blatt: "Niemals", sagt der Brite, "niemals hätten die Explosion auf der Ölplattform Deepwater Horizon und die nachfolgende Ölpest passieren dürfen." Kurze Pause, dann die Abbitte: "Ich bedauere zutiefst, dass es dazu kam." Sekunden später legt er nach und sagt, der Tod von elf Mitarbeitern am 20. April habe ihn "persönlich am Boden zerstört".

"Eine nie dagewesene Kombination von Pannen"

Nur, erklären, wie Amerikas größte Umweltkatastrophe über den Golf von Mexiko kam, kann Hayward nicht. "Ich verstehe die Menschen, die einfache Antworten wollen", sagt er. Nur leider sei es "die Wahrheit, dass dies ein komplexer Unfall ist, verursacht durch eine nie dagewesene Kombination von Pannen".

Aber diese Sitzung dient eh anderen Zwecken. Vor allem demokratische Politiker wollen Dampf ablassen angesichts der Ölpest, die eben nicht nur die Strände von vier US-Bundesstaaten verseucht, sondern mittlerweile auch ihren Schatten wirft auf das Image ihres Präsidenten Barack Obama. Noch ehe der BP-Manager zu Wort kommt, fällen die Abgeordneten ihr Urteil - per Einführungs-Statement. Peter Welch, ein Demokrat aus Vermont, liest eine lange Liste von BP-Unfällen ab und kommt zu dem Schluss, das Desaster im Golf sei "für BP doch nur ,business as usual'" gewesen.

Haywards Augen flackern nervös, aber mehr innere Regung zeigt er nicht.

Geschäfte mit der Ölkatastrophe
:Schmutziges Geld

Die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko wird als eine der schlimmsten in die Geschichte eingehen. Aber irgendjemand verdient dann doch wieder daran. In Bildern.

Steffen Heinzelmann

Auch dann nicht, als ihm Bruce Braley aus Iowa ein Video vorspielt, das zwei Witwen der elf getöteten Arbeiter zeigt. Unter Tränen sagt eine, dass "keine Entschädigung je unseren Verlust wettmachen kann". Ein Hauch von Mordanklage liegt im Raum, da der Abgeordnete die Frage an Hayward nachschiebt: "Was haben Sie diesen Frauen zu sagen?" Der Manager bleibt die Antwort schuldig.

Immerhin, Hayward berichtet von zwei Lehren, die BP vorläufig aus der Katastrophe gezogen habe. Erstens gelte, dass die gesamte Ölbranche sich fortan besser für "Unterwasser-Desaster" rüsten müsse - was im Umkehrschluss bedeutet, dass BP eben dies nicht war. Und daraus folgt bereits Lektion Nummer zwei: "Wir müssen diesen Vorfall als Fallstudie nutzen, um ein ähnliches Scheitern in der Zukunft zu vermeiden." Wie BP dies schaffen will, das weiß Hayward nicht. Nichts, so scheint es, mag den BP-Managern dieser Tage gelingen.

Auch Carl-Henric Svanberg, der bislang scheue Aufsichtsratsvorsitzende von BP, geriet in die Kritik, nachdem er im Anschluss an sein 25-minütiges Treffen mit Präsident Obama am Dienstag dem landläufigen Vorwurf entgegentreten wollte, sein Konzern agiere "geldgierig oder rücksichtslos".

Das sei, so fügte der Schwede in holprigem Englisch hinzu, "wirklich nicht der Fall: Wir sorgen uns um die kleinen Leute." Prompt hagelte es wiederum Proteste von der Golfküste. Dort empfand man Svanbergs Bemerkung als herablassend: "Wir sind Menschen, keine kleinen Leute!"

Arbeitslose Fischer, vom Bankrott bedrohte Restaurantbesitzer

Beim Treffen mit Obama hat Svanberg zugesagt, sein Unternehmen werde innerhalb von vier Jahren insgesamt 20 Milliarden Dollar bereitstellen, um die Opfer der Katastrophe - arbeitslose Garnelenfischer, vom Bankrott bedrohte Laden-, Restaurant- oder Hotelbesitzer - zu entschädigen. In diesem Jahr legt der Konzern zu diesem Zweck 7,8 Milliarden Dollar zur Seite, die BP als Dividende an die Aktionäre hatte ausschütten wollen.

Stattdessen landen die Milliarden bei Kenneth Feinberg, einem 64-jährigen Anwalt, der sich als gewissenhafter Schlichter und Treuhänder nach Katastrophen einen Namen gemacht hat. Feinberg war es, der ohne jedes Honorar jene sieben Milliarden Dollar verwaltete, die an die etwa 5000 Hinterbliebenen und Opfer der Terroranschläge vom 11. September 2001 verteilt worden waren. In persönlichen, oft stundenlangen Gesprächen mit Opfern hatte Feinberg nach Wegen gesucht, das Geld gerecht zu verteilen. Seine inneren Kämpfe beschrieb er später in dem Buch "Was ist ein Leben wert?"

© SZ vom 18.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: