Botschaftsdepeschen über Margaret Thatcher:"Sie muss ein menschlicheres Bild abgeben"

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Aggressiv und fähig sei sie, das schon. Doch dass Margaret Thatcher jemals Premierministerin in Großbritannien werden sollte, bezweifelten die Amerikaner zunächst. Das zeigen jetzt von Wikileaks aufbereitete Regierungsdokumente.

Es ist der 12. Februar 1975 in London, ein Mittwoch, regnerisch und mild. Es ist der Tag, nachdem zum ersten Mal in der Geschichte Großbritanniens eine Frau den Parteivorsitz der britischen Konservativen erobert hat. Die Zeitungen sind voll davon. Allein der Guardian erwähnt den neuen Polit-Shootingstar in acht Artikeln. Und auch unter Diplomaten in der Hauptstadt sorgt Margaret Thatcher nun für Aufsehen.

Bereits am Nachmittag sendet die amerikanische Botschaft einen ersten Bericht über die neue Parteiführerin nach Washington. Auf 5784 Zeichen drückt der Autor darin seine Bewunderung für Thatcher aus und beweist, dass auch Diplomaten irren können.

Nun, 38 Jahre später, fördert Wikileaks die Depesche wieder zutage. Mit Hilfe der neuen Suchmaschine des Enthüllungsportals hat das Politikmagazin Foreign Policy die damalige Einschätzung der Amerikaner aufgestöbert. Die cables vom Londoner Grosvenor Square zeichnen ein zwiespältiges Bild der Premierministerin, die am vergangenen Montag im Alter von 87 Jahren starb. Eine der Depeschen beginnt mit einer Lobeshymne:

"Margaret Thatcher has won a remarkable personal victory, and the conservative party is quickly closing ranks behind its new leader. Aggressive and able she is expected to revitalize the party organization, bring fresh younger blood into the shadow cabinet and mount a vigourous assault on the government in the Commons."

Doch von Erfolg geprägt werde Thatchers Laufbahn laut Meinung der Amerikaner nur sein, wenn die Politikerin sich ein menschlicheres Image verpasst:

"If she is ever to become Britain's first woman prime minister, however, she will have to humanize her personal image and broaden her ideological base."

Darauf hat sie - wie heute bekannt ist - weitgehend verzichtet und als "Eiserne Lady" Geschichte geschrieben. Auch an die amerikanische Empfehlung, sich fortschrittlicheren Inhalten zuzuwenden, hat sich Thatcher eher nicht gehalten:

"Her voice, her dress, her manner all bear the unmistakeable stamp of the suburban Tory matron. In the last general election the Conservative Party won less than 36 per cent of the total vote. To expand that narrow base, she will have to adopt more progressive policies than those currently associated with her, to overcome her image as Thatcher the Milk Snatcher, the education minister who abolished free milk for school children, and to demonstrate that she is compassionate and concerned about people as well as issues."

Kann Thatcher also Premierministerin werden? Das fragt sich die US-Botschaft wenige Tage später in einer weiteren Analyse und kommt zu dem Ergebnis: zurzeit eher nicht.

"Unless the economy goes even more catastrophically awry and the government loses a series of by-elections, MRS. Thatcher is unlikely to face general election for three or four years."

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