Bistum Essen:Viel mehr Missbrauchsbetroffene als bisher bekannt

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Franz-Josef Overbeck (links), Bischof des Bistums Essen, Klaus Pfeffer, Generalvikar, und Christiane Gerard, Leiterin Personal, bei der Pressekonferenz zur Vorstellung der Studie zum Missbrauch im Ruhrbistum. (Foto: Roberto Pfeil/dpa)

Eine Studie ermittelt das Ausmaß von sexualisierter Gewalt und Missbrauch im Ruhrbistum. Mit erschreckendem Ergebnis.

Im Ruhrbistum sind bislang 423 Fälle von sexuellem Missbrauch vor allem durch Priester und Ordensleute gemeldet worden. Die Zahl liegt damit deutlich höher als bisher bekannt. Das teilte das Bistum am Dienstag bei der Vorstellung einer unabhängigen Studie des Münchner Instituts IPP zum Missbrauch im Ruhrbistum mit. Das Bistum spricht von 201 Beschuldigten bis zum Februar 2023 - überwiegend handelt es sich um Priester aus dem Ruhrbistum und anderen Bistümern sowie um Diakone und Ordensleute verschiedener Geschlechter.

Täterkarrieren hätten sich teils über mehrere Jahrzehnte gezogen, sagte die Leiterin des IPP-Forschungsteams, Helga Dill, in Essen. 53 Anzeigen seien erstattet worden, 33 Verurteilungen nach Kirchen- oder Strafrecht wurden registriert. 163 Betroffene hätten bereits Anträge auf Anerkennungszahlungen für ihr Leid gestellt, knapp 2,6 Millionen Euro seien ausgezahlt worden.

"Wir müssen als Bistum ehrlich sein: Es hat in der Vergangenheit in unserer Bistumsverwaltung massive Versäumnisse bis hin zur aktiven Vertuschung gegeben", sagte Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck. Den Opfern habe das Bistum oft keinen Glauben geschenkt. Dahinter habe auch die Vorstellung gestanden, "dass zuallererst die Kirche und ihre Priester zu schützen seien". Auch in jüngeren Jahren sei das Bistum "noch allzu oft von diesen Situationen massiv überfordert" gewesen, sagte Overbeck, der seit 2009 Bischof in Essen ist. Selbst auf gesichertes Wissen in Bezug auf sexualisierte Gewalt sei teils mit Versetzung des Täters oder gar nicht reagiert worden, heißt es in der Studie. So seien Missbrauchsgeschichten jahre- oder gar jahrzehntelang weitergegangen.

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Künftig sollten betroffene Kirchengemeinden bei der Aufarbeitung unterstützt werden und Betroffeneninitiativen einen festen Etat für ihre Arbeit erhalten, schlägt die Studie vor. Die Kirche solle ein Netzwerk mit externen Beratungsstellen aufbauen und dabei Täter- und Betroffenenberatung strikt trennen. Überdies solle die Kirche die bisherige Form der Priesterausbildung überdenken und den Geistlichen im Alltag Supervision von außerhalb der Kirche anbieten.

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