Am Donnerstag wird Frankreichs Präsident Emmanuel Macron im Schatten des Hohen Doms zu Aachen den Karlspreis entgegennehmen, so etwas wie das ultimative Gütesiegel für europapolitische Verdienste. Seit 1950 haben viele Größen der europäischen Politik die Medaille in ihren Händen gehalten, so auch der französische Präsident François Mitterrand. Freilich wurde keinem Staatschef die Ehre so früh in seiner Amtszeit zuteil - der Vergleich zur Verleihung des Friedensnobelpreises an Barack Obama im ersten Jahr seiner Präsidentschaft drängt sich geradezu auf.
Über Macrons europapolitisches Werk wird nämlich gerade intensiv verhandelt, im Zentrum steht die Reform der Euro-Zone und die Revitalisierung der Europäischen Union, wie sie der Präsident in seiner Rede im vergangenen September skizziert hatte. Gleichzeitig geht es aber auch um viele andere Initiativen aus Paris, die Macron wie ein Wirbelwind vorantreibt - die allerdings gerade bei Frankreichs wichtigstem Verbündeten in Europa, der deutschen Regierung, mitunter deutlichen Missmut auslösen.
Europäische Union:Merkel und Macron suchen gemeinsame Linie
Beim Besuch des französischen Präsidenten beteuert die Kanzlerin zwar, der Zauber sei zurück - doch konkrete EU-Reformpläne finden beide nicht. Bis Mitte des Jahres soll ein Kompromiss stehen.
Vier außen- und sicherheitspolitische Konflikte werden die Agenda beherrschen, wenn Macron und Bundeskanzlerin Angela Merkel am Donnerstag unter vier Augen sprechen. Zum einen hat Macron bei den europäischen Iran-Verhandlern und selbst bei seinen eigenen Beratern Unverständnis geerntet, weil er während seines Washington-Besuchs vor zwei Wochen Trump zu viel Entgegenkommen signalisierte. Europas Verhandler hatten verabredet, Trump in seiner härteren Gangart zu Irans Regional- und Raketenpolitik nur zu folgen, wenn er am Nuklearabkommen festhalte. Diesen Zusammenhang hat Macron fallen gelassen und ist Trump damit aus Sicht der Kritiker unnötig entgegengekommen.
Nicht weniger irritierend fanden die Handelsexperten um EU-Kommissarin Cecilia Malmström, dass Macron die ausgeglichene Handelsbilanz zwischen Frankreich und den USA lobte und damit indirekt zu verstehen gab, dass die Zollpolitik des Präsidenten nicht den bilateralen Agrarhandel treffen dürfe. In Berlin wurde das gar als Aufforderung verstanden, punktgenaue Handelshemmnisse für den deutschen Fahrzeugbau zu erlassen - ein klarer Affront gegen die in Handelsfragen eigentlich einstimmig auftretende EU.
Ein neuer Konflikt zeichnet sich zwischen Deutschland und Frankreich in der Balkanpolitik ab. Macron hat vor dem Europaparlament seine Skepsis gegenüber der Aufnahme von Erweiterungsgesprächen zu verstehen gegeben. Die Bundesregierung, anders als Frankreich auf dem Balkan politisch stark engagiert, hatte ihre Position zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgestimmt und vor allem nicht mit dem Bundestag koordiniert. Sie neigt zu einer vorsichtigen Annäherung, muss nun aber dank Macrons nicht abgesprochener Position neue Hürden überwinden.
Konflikt Nummer vier betrifft die Verteidigung, wo Macron eine "Interventionsinitiative" startete, mit dem Ziel, Staaten auf freiwilliger Basis zu einer Art europäischer Eingreiftruppe zusammenzubringen. Die Vereinbarkeit dieses Vorschlags mit der von Deutschland initiierten Pesco-Initiative der EU ("ständige strukturierte Zusammenarbeit") ist bis heute ungeklärt und lässt Experten streiten.
Fortschritte scheint es hingegen bei den Gespräche zur Euro-Zonen-Reform zu geben. Während Macron seine ursprüngliche Idee eines eigenen Haushalts für die Euro-Zone ad acta gelegt hat, nähern sich Deutschland und Frankreich bei der Umgestaltung des Rettungsschirms in einen Währungsfonds und beim Thema Bankenunion vorsichtig an. Die Verhandlungen sind technisch, es geht um die "Investitionskapazität", um Regeln, Kontrolle der Parlamente und die Definition eines ökonomischen "Schocks", der Hilfe rechtfertigt.
Auch scheint Macron die Idee eines deutlich höheren EU-Budgets nicht länger zu verfolgen. Finanzminister Olaf Scholz hat klargemacht, dass es wie bisher ein Prozent des Brutto-Nationaleinkommens zu zahlen bereit ist. Das sind zehn Milliarden Euro mehr als bisher, aber für die gesamte EU. Die Idee einer Sonderstellung für die Euro-Zone scheint ebenfalls langsam einzuschlafen.