Boris Palmer:"Es ist einfach furchtbar, was Sie mir hier zeigen"

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  • Immer, wenn er nach Berlin komme, denke er sich, "Vorsicht, Sie verlassen den funktionierenden Teil Deutschlands", sagte Palmer Anfang Dezember.
  • Der Fraktionsvorsitzende der Berliner CDU hat ihn nun nach Berlin eingeladen.
  • Bei einer Stadtführung zeigt er dem Tübinger Oberbürgermeister "einen Ausschnitt des funktionierenden und des weniger funktionierenden Teils" der Hauptstadt.

Von Jasmin Siebert, Berlin

Boris Palmer hat den S-Bahnhof Messe Süd noch nicht verlassen, da umringen ihn schon mehr als ein Dutzend Journalisten. Tübingens Oberbürgermeister schüttelt die Hand von Burkard Dregger, des bestens gelaunten Fraktionsvorsitzenden der Berliner CDU. Gleich zu Beginn macht der schwäbische Grüne deutlich, wie unterschiedlich die Welten sind, aus der er und sein Gastgeber kommen: Dreggers Vater Alfred, CDU-Legende, sei einst Mitglied einer der rechtskonservativsten Studentenverbindungen in Tübingen gewesen. Als er noch "linksradikaler Student" war, habe er diese "fremde Welt" einmal besucht, sagt Palmer.

Wie in einer fremden Welt fühlt sich Palmer auch an manchen Ecken Berlins. "Vorsicht, Sie verlassen den funktionierenden Teil Deutschlands", denke er sich immer, wenn er in die Hauptstadt komme, klagte er Anfang Dezember. Die grüne Berliner Wirtschaftssenatorin Ramona Pop konterte auf Twitter: "Wenn Du Metropole, Vielfalt, Tempo und Lebenslust nicht erträgst, kannst Du woanders die Kehrwoche zelebrieren." Die Fraktionsvorsitzende der Berliner Grünen, Antje Kapek, nannte Palmer einen "Irren".

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Oppositionsführer Dregger dagegen witterte seine Chance und lud Palmer ein, um ihm "einen Ausschnitt des funktionierenden und des weniger funktionierenden Teils" von Berlin zu zeigen. Typisch Palmer, er kam natürlich, um sich drei von der Berliner CDU ausgewählte Orte vorführen zu lassen. Dabei ist es nicht so, dass Palmer Berlin nicht kennt: Seine achtjährige Tochter lebt hier. Beiläufig erwähnt er, dass er sie am Morgen in die Schule gebracht habe. Zwar komme sie häufiger zu ihm nach Tübingen, doch an etwa 20 Tagen im Jahr sei er auch für berufliche Termine und um seine Tochter zu treffen in der Hauptstadt, sagt Palmer.

Beim Rundgang durch die neueste Messehalle, die, wie Dregger augenzwinkernd sagt, "frist- und kostengerecht" gebaut worden war, zeigt sich Palmer einigermaßen beeindruckt von Größe und Wirtschaftlichkeit. Ökologisch gebe es aber trotz Bienen auf dem Dach und geplanter Solarmodule noch "Luft nach oben", konstatiert er. Im Reisebus geht es weiter. Der rollt gerade über den Kaiserdamm, als sich fundamentale Differenzen zwischen Schwarz und Grün offenbaren.

Dregger lobt die "grüne Welle", da platzt Palmer der Kragen: "Es ist einfach furchtbar, was Sie mir hier zeigen." Er meint die Autos, die rechts und links sowie in der Mitte der 40 Meter breiten Straße parken. Statt "Blechwüste" würde er Cafés und fünf Meter breite Fahrradwege schaffen. Dregger erzählt von seiner 90-jährigen Mutter, die aufs Auto angewiesen sei, und versucht über Fahrverbote zu sprechen. Doch Palmer interessiert sich mehr für einen Radweg, der im Nichts endet - "ein weniger gut funktionierender Teil".

Als der Bus schließlich am Görlitzer Park stoppt, einem der Hauptdrogenumschlagplätze Berlins, ist die Reisegruppe doppelt so groß. Hikmet Gülmez, chancenloser CDU-Direktkandidat in Friedrichshain-Kreuzberg, Arzt und Parkanwohner, beschreibt die "dramatische Lage": Faktisch sei der Park den Anwohnern entzogen, nur Dealer und deren Kunden fühlten sich dort wohl. An diesem Mittwochmorgen sind allerdings nur spielende Kinder, Hunde, Polizei- und Müllautos zu sehen. Palmer sagt, er könne abgesehen von fehlendem Grün kein echtes Problem erkennen, wolle aber mal alleine wiederkommen. Wie auch immer, Palmer bleibt am Ende der zweieinhalbstündigen Tour bei seinem Fazit: Er würde seinen Satz mit der Dysfunktionalität genau so wiederholen.

Einen Ort gibt es aber doch, den Palmer in Berlin mag: den Volkspark Hasenheide in Neukölln. Dort spiele er gerne Minigolf. Denn eine Minigolfanlage, die gebe es im idyllischen Tübingen leider nicht.

© SZ vom 21.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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