Tag der Arbeit:Berliner Polizei spricht vom "friedlichsten 1. Mai seit Jahrzehnten"

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Polizisten laufen am 1. Mai in Berlin neben schwarz gekleideten Demonstranten. (Foto: CHRISTIAN MANG/REUTERS)

In Kreuzberg fliegen Flaschen und Böller, ein Auto brennt - doch die Mai-Demos verlaufen weniger gewalttätig als früher. Die Regierende Bürgermeisterin Giffey erlebte bei einer Rede dennoch eine Schrecksekunde.

Etwa 14 000 Menschen sind bei der traditionellen 1.-Mai-Demonstration linker und linksradikaler Gruppen durch Berlin gezogen. Größere Ausschreitungen blieben aus, vereinzelt kam es aber zu Rangeleien zwischen Demonstranten und Polizei in Kreuzberg. Der Aufzug sei weitgehend friedlich verlaufen, sagte Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik am Abend. Ein Großaufgebot der Polizei begleitete den Protestmarsch von Neukölln nach Kreuzberg. In der Hauptstadt waren am 1. Mai insgesamt fast 6000 Polizisten im Einsatz.

Am Endpunkt des Aufzuges, dem Oranienplatz, kam es zeitweise zu Auseinandersetzungen zwischen linksautonomen Demonstranten und Polizisten. Es flogen Flaschen und Böller auf Polizisten, wie ein dpa-Reporter beobachtete. Einsatzkräfte der Polizei setzten Reizgas ein. Auch bengalische Feuer waren zu sehen. Die Polizei zog eine positive Bilanz und sprach am späten Sonntagabend auf Twitter vom Eindruck des "friedlichsten 1. Mai seit Jahrzehnten in Berlin".

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Es habe 37 Festnahmen gegeben, so die Polizei. Darunter seien Menschen, die Einsatzkräfte gezielt mit Flaschen beworfen hätten, teilte die Behörde mit. Weitere Angaben zum Einsatz wollte die Polizei am Montag machen. Jeder Angriff sei einer zu viel, sagte Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik nach dem Ende der Demonstration. "Dennoch haben wir an diesem 1. Mai eine noch geringere Gewaltbereitschaft festgestellt als im Vorjahr oder gar vor zehn Jahren."

Der Demonstrationszug, bei dem etliche Teilnehmende mit Mundschutz zu sehen waren, war vom Hertzbergplatz über die Sonnenallee in Neukölln gelaufen. Als kritischer Punkt an der Strecke galt das Kottbusser Tor, wo in einem Hochhaus eine neue, auch umstrittene Polizeiwache geplant ist. Linke Gruppen protestierten gegen das Vorhaben an dem Ort mit viel Kriminalität und Partyleben. An der Stelle blieb es jedoch vergleichsweise ruhig.

Später wurde auf der Demonstrationsstrecke ein Bauschutt-Container in Brand gesetzt. Auch ein Auto brannte, wie die Sprecherin der Polizei sagte. Zuvor war der Aufzug immer wieder gestoppt worden, etwa um einige gezeigte Fahnen zu überprüfen. "Es kam zu Zwangsmaßnahmen (Schieben & Drücken) sowie Einsatz von Reizgas nach Angriffen durch Pyro, Schläge und Tritte Richtung der Polizeikräfte aus Teilen der Demo", teilte die Behörde am Abend bei Twitter mit.

In der Menge schwenkten Demonstranten Fahnen, Transparente waren zu sehen. Demonstranten brachten damit unter anderem ihren Widerstand gegen den Kapitalismus zum Ausdruck. "No war but class war" war auf einem Banner zu lesen.

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Mehrere palästinensische Gruppen

Der Protestzug wurde angeführt von einem Block von vor allem türkisch- und arabischstämmigen Migranten als "Migrantifa". Zudem beteiligten sich zahlreiche palästinensische Gruppen. Die Polizei hatte dies erwartet, nachdem sie aus Sorge vor antisemitischen Vorfällen eine für Freitag geplante Demonstration palästinensischer Initiativen sowie Ersatzveranstaltungen verboten hatte - und Gerichte die Entscheidung bestätigt hatten. Viele Menschen schwenkten Palästina-Fahnen, andere skandierten "Free Palestine". In mehreren Reden wurde scharfe Kritik an der Politik Israels geäußert.

Das Jüdische Forum kündigte bei Twitter an, die Demo zu beobachten und antisemitische Vorfälle zu dokumentieren. Einige Transparente und Forderungen könnten als "Aufruf zur gewaltvollen Auslöschung des Staates Israels verstanden werden", hieß es später in einem Tweet des Forums. Die Polizei hatte vorab angekündigt, auch auf Dolmetscher zurückzugreifen, um arabische Parolen übersetzen zu lassen und zu prüfen, ob sie volksverhetzend sind. Der Staatsschutz sei ebenfalls eingeschaltet, sagte ein Polizeisprecher.

Tagsüber liefen die Aktionen zum 1. Mai in Berlin ruhig an. Mittags startete eine Fahrraddemo in den Grunewald, für die bis zu 10 000 Menschen angemeldet waren. Begonnen habe sie mit etwa 2000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, sagte ein Polizeisprecher.

Die Fahrraddemo vor dem Roten Rathaus in Berlin. (Foto: CHRISTIAN MANG/REUTERS)

Eine Schrecksekunde gab es für die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey bei einer Kundgebung am Brandenburger Tor: Die SPD-Politikerin wurde beschimpft und mit einem Ei beworfen - aber nicht getroffen.

Giffey hielt dort eine Rede auf der zentralen Veranstaltung des Deutschen Gewerkschaftsbunds. "Beim Abschluss meiner Rede und an der Stelle, an der ich der Polizei für ihren Einsatz heute gedankt habe, kam es zu dem Eierwurf", sagte die SPD-Politikerin später. "Solche Aktionen sind weder hilfreich, noch politisch wertvoll. Sie lenken von dem ab, worum es am heutigen Tag eigentlich geht: Solidarität mit der Ukraine, faire Arbeitsbedingungen und Bezahlung und die gemeinsame Bewältigung der Krisen unserer Zeit." Und sie fügte hinzu: "Jeder von uns weiß: Proteste am 1. Mai gehören nun mal dazu, Gewalt jedoch nicht. Ich lasse mich in meiner politischen Arbeit davon nicht beirren."

Kleine Schrecksekunde für die Regierende Bürgermeisterin: Ein Sicherheitsbediensteter wehrt den Ei-Wurf mit dem Schirm ab. (Foto: TOBIAS SCHWARZ/AFP)

Giffey musste wegen der Proteste ihre Rede jedoch zeitweise unterbrechen. Aus der Menge wurde lautstark gefordert, den Berliner Volksentscheid zur Enteignung von Wohnungsbauunternehmen umzusetzen.

Bei derselben Kundgebung wurde auch DGB-Chef Reiner Hoffmann teils mit Sprechchören unterbrochen. Der Gewerkschaftschef wandte sich gegen eine dauerhafte Erhöhung des Verteidigungshaushalts auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts, wie der Nato zugesagt. Das Geld werde stattdessen für den Sozialstaat und den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft gebraucht. "Deshalb sagen wir heute klar und deutlich Nein zu einer massiven Aufrüstung", sagte der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds.

In Dortmund setzte die Polizei Pfefferspray und Schlagstöcke gegen Demonstranten aus der autonomen Szene ein. Die Menschen hätten Polizisten attackiert und versucht, eine Absperrung zu durchbrechen, sagte eine Polizeisprecherin. Eine Sprecherin der "Autonomen Antifa 170" beklagte Polizeigewalt: Mehrere Teilnehmerinnen und Teilnehmer seien verletzt worden. Die Polizeisprecherin sagte am Nachmittag, bisher habe man zu Verletzungen keine Erkenntnisse.

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