Berkeley:An US-Unis wird nicht mehr diskutiert - sondern gekämpft

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Ein Demonstrant in Berkely verbrennt eine Pro-Trump-Mütze. (Foto: REUTERS)

Die University of California in Berkeley galt eigentlich als einer der liberalsten Orte der USA. Bis Bilder von einem brennenden Campus um die Welt gingen. Warum die Amerikaner sogar hier verlernt haben, miteinander zu reden.

Von Roman Deininger

Es hat kürzlich ein paar Umbauten gegeben im Büro des Kanzlers der University of California in Berkeley, so weit ist die Sache unstrittig. Was genau da gebaut wurde und wie man das nennen darf - darüber gehen die Darstellungen auseinander. Das Büro des Uni-Kanzlers beteuert, es sei lediglich eine zusätzliche normale "Tür" hinzugefügt worden. Eine Studenten-Zeitung spricht dagegen von einem "Notausgang" oder einer "Rettungsluke" - über die sich der Kanzler im Krisenfall vor wütenden Demonstranten in Sicherheit bringen wolle. Der Mann habe ja auch schon einen Zaun um seine Residenz errichten lassen, um Störer abzuhalten.

Was ist da los auf dem idyllischen Campus von Berkeley, der liberalsten aller liberalen Filterblasen? Was musste passieren, dass man überhaupt eine Situation für möglich hält, in welcher der Uni-Kanzler vor wem auch immer aus seinem Büro flieht?

Es kommen einem nun, im Angesicht der Bilder aus Charlottesville, Virginia, vom Wochenende noch einmal etwas ältere Bilder aus Berkeley, Kalifornien, in den Sinn. Es war im April, gleich neben dem Campus. Aufstellung zur Straßenschlacht. Hier die Rechten: Hunderte brüllende, Fäuste reckende Typen, viele mit Springerstiefeln, Stahlhelmen und Baseballschlägern. Dort die Linken: Hunderte brüllende, Fäuste reckende Typen, viele mit Kapuzen über dem Kopf und Steinen in der Hand. Bebende Körper überall.

Berkeley im April, das war wie der Vorabend eines amerikanischen Bürgerkriegs, der jetzt in Charlottesville im August seine ersten Toten gefordert hat.

Berkeleys Semester des Hasses

"Berkeleys Semester des Hasses", hat die New York Times gerade getitelt. Im Mittelpunkt der aufwühlenden vergangenen Monate standen drei ultra-konservative Medien-Figuren: Milo Yiannopoulos, Ann Coulter und Ben Shapiro. Alle Drei wollten in Berkeley Vorträge halten - und lösten damit bei den Liberalen Empörung und Proteste aus. Yiannopoulos' Auftritt verhinderten linke Demonstranten, indem sie den halben Campus abrissen. Das wiederum fanden dann die wenigen Republikaner von Berkeley ziemlich empörend. Rettungsluke? Gar kein so absurder Gedanke.

Die Baseballschläger- und Vermummungsfreunde im April waren dann wegen der Coulter-Kontroverse aufmarschiert, die meisten waren keine Studenten. Aber wieder gingen Prügel-Szenen aus Berkeley um die Welt. Der Polizei war es immerhin gerade noch gelungen, die totale Eskalation zu verhindern. Aber man spürte schon damals, dass da ein Land am Abgrund steht. Dort steht es natürlich nicht erst, seit es vom Präsidenten Donald J. Trump heimgesucht wird. Die USA sind seit Langem polarisiert, radikalisiert, zerrissen. Und trotzdem war irgendetwas anders in Berkeley.

Frage an Bettina Aptheker: Was?

Bettina Aptheker ist Historikerin, sie hat jedoch auch selbst ein kleines Stück Geschichte geschrieben, darüber wird noch zu reden sein. Erst mal sagt sie: "Ein Präsident ist in den USA immer Vorbild für sein Volk." Deshalb sei die völlige Abwesenheit moralischer Führung bei Trump natürlich ein Problem. Aber nicht das größte.

Das größte Problem sei, dass Trump überhaupt nicht an den Wert von Debatte glaube: "Er tut, was er will, egal, welche Argumente es gibt." Er folge nur Gefühlen, und er kommuniziere im Grunde auch nur Gefühle, rohe noch dazu. Selbst bei George W. Bush, den sie, Überraschung, auch nicht mochte, sei die Vernunft durchaus eine Kategorie der Politik gewesen. "Aber Trump", sagt Aptheker, "ist dabei, das nationale Gespräch völlig zu zerstören."

Nach Vorbild seines Präsidenten bekriegt sich Amerika jetzt auf Twitter. Und immer öfter auch auf der Straße.

Wie Charlottesville ist Berkeley eine Uni-Stadt. Universitäten sind die Heimat der Disziplin Debatte, hier wird geübt für das große nationale Gespräch. Die University of California gilt als eine der besten öffentlichen Hochschulen der USA - zumindest hier werden die Amerikaner doch nicht verlernt haben, miteinander zu reden?

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Von Roman Deininger und Jürgen Schmieder

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