Der scheidende Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus fordert Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) auf, noch mehr Anstrengungen zu unternehmen, um die Bundeswehr zu einem attraktiven Arbeitgeber zu machen.
Die von der Ministerin bislang angestoßenen Schritte seien zwar "begrüßenswert", reichten aber noch nicht aus, "um einer der attraktivsten Arbeitgeber Deutschlands zu werden", heißt es im Jahresbericht des Wehrbeauftragten, den Königshaus in Berlin vorstellte. So mangele es etwa "an Maßnahmen, die die Vorsprünge der zivilen Wirtschaft gegenüber vergleichbaren Leistungen für Soldatinnen und Soldaten kompensieren", heißt es weiter im Bericht. Als Beispiel nennt Königshaus die Bezahlung von Ruf- und Bereitschaftsdiensten in Bundeswehrkrankenhäusern.
Die sogenannte Attraktivitätsagenda gilt als ein Kernanliegen von der Leyens. Sie soll es Soldaten unter anderem ermöglichen, Dienst und Privatleben besser zu vereinbaren. Solche Verbesserungen hatte Königshaus in den vergangenen Jahren immer wieder gefordert. Der Liberale stellt seinen letzten Jahresbericht als Wehrbeauftragter vor. Im Mai wird er das Amt an seinen Nachfolger übergeben, den Sozialdemokraten Hans-Peter Bartels.
4645 Beschwerden
Im vergangenen Jahr gingen bei Königshaus 4645 Beschwerden ein, von denen 4416 bearbeitet wurden - der Rest war anonym eingegangen oder betraf nicht den Wehrbeauftragten. Im Jahr 2013 waren noch 5095 Beschwerden eingegangen, von denen 4842 bearbeitet wurden. Damals hatte es, im Verhältnis zur Zahl der Soldaten, so viele Eingaben an den Wehrbeauftragten gegeben wie nie zuvor. Allerdings hatten sich damals etwa 450 Eingaben auf einen zwischenzeitlichen Stau bei der Bearbeitung von Beihilfeanträgen etwa für Krankenhausaufenthalte bezogen. Diese Zahl entspricht recht präzise dem Rückgang, den es von 2013 auf 2014 gegeben hat. Die Unzufriedenheit, ausgelöst unter anderem durch die Auswirkungen der Bundeswehrreform, ist also offensichtlich weiter groß.
"Das Jahr 2014 war für die Bundeswehr ein Jahr der Wahrheit", heißt es im Vorwort zu Königshaus' Bericht, in dem er viele Missstände noch einmal beleuchtet, über die im vergangenen Jahr ausführlich berichtet wurde - etwa "alterungsbedingte Ausfälle bei Bewaffnung und Material" oder einen zunehmenden "Sanierungsstau bei der baulichen Infrastruktur". So seien "die Überbelegung von Stuben, Rost- und Schimmelbefall, Kloakengeruch und im Winter defekte Heizkörper in Sanitärbereichen" exemplarisch "für die an vielen Standorten seit Jahren vernachlässigte Infrastruktur", heißt es im Jahresbericht. Zudem gebe es in den Unterkünften "fast bundesweit" kein Internet zur privaten Nutzung.
"Komplexe Übung mit Nato-Partnern" muss ausfallen
Auch was das zum Teil marode Material angeht, werden im Bericht teils drastische Beispiele angeführt. "So konnte zum Beispiel in einer Spezialeinheit aufgrund der Nichtbereitstellung eines Hubschraubers vom Typ CH-53" eine "komplexe Übung mit Nato-Partnern nicht durchgeführt werden", heißt es dort. "Dies bewerteten die beteiligten deutschen Soldatinnen und Soldaten zu Recht als blamabel." Königshaus schildert darüber hinaus wie bereits in den vergangenen Jahren die Belastung der Truppe durch die laufende Bundeswehrreform.
Der Wehrbeauftragte berichtet zudem über 24 Suizide und 43 Suizidversuche von Soldaten im vergangenen Jahr. Zwar weise das Verteidigungsministerium darauf hin, dass die Selbsttötungsrate in der Bundeswehr unter jener in der männlichen Gesamtbevölkerung liege - dabei werde aber "nicht berücksichtigt, dass etwa 35 Prozent aller Suizide in Deutschland von Menschen über 65" begangen würden. Königshaus führt den Beispielfall eines Soldaten mit Eheproblemen an, der sich umbrachte: Der Mann sei insgesamt fünf Mal im Auslandseinsatz gewesen, davon viermal in den vergangenen vier Jahren. Der Wehrbeauftragte bemängelt, dass es keine "über den Einzelfall hinausgehende institutionalisierte und systematische Betrachtung der Suizide" gebe. Er fordert eine solche Untersuchung, bei der auch bereits ausgeschiedene Soldaten mit einbezogen werden sollten.
Wie in jedem Jahr schildert der Wehrbeauftragte auch diesmal Fälle militärischen Fehlverhaltens. So sei etwa Rekruten, weil sie "durch lautes Reden gestört hatten", der "Mund durch Gewebeklebeband verschlossen" worden. Auch Fälle sexueller Belästigung finden sich im Jahresbericht. So habe ein Vorgesetzter im Auslandseinsatz mindestens einer Soldatin die Feldbluse aufgerissen, nachdem er sie zuvor mit anzüglichen Bemerkungen traktiert hatte. Im vergangenen Jahr wurden 63 Fälle mit Verdacht auf rechtsextremistischen, antisemitischen oder fremdenfeindlichen Hintergrund gemeldet. Im Jahr zuvor waren es 58 gewesen.