Krise in Belarus:Lukaschenko versetzt das Militär in volle Gefechtsbereitschaft

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Alexander Lukaschenko, Staatschef von Belarus, kam in Uniform zu einem Treffen mit militärischen Führungskräften. (Foto: dpa)

Die Proteste in Minsk und anderen Städten gegen den Staatschef gehen weiter. Am Sonntag werden erneut Massenkundgebungen erwartet.

Angesichts der Proteste der Demokratiebewegung in Belarus hat Staatschef Alexander Lukaschenko bei einem Militärbesuch vor einer Revolution im Land gewarnt. Er versetzte die Streitkräfte am Samstag der Staatsagentur Belta zufolge in volle Gefechtsbereitschaft. "Wir sehen eine ernste Bewegung der Streitkräfte der Nato in unmittelbarer Nähe unserer Grenzen auf den Gebieten Polens und Litauens", sagte er. Es werde vom Ausland versucht, Belarus eine Revolution aufzuzwingen. Beweise für Lukaschenkos Thesen gibt es nicht.

Er war zuvor auf einem Truppenübungsplatz in der Nähe von Grodno im Westen des Landes gelandet und besuchte ein Panzerbataillon und eine Raketen-Division. Es müssten die "härtesten Maßnahmen" getroffen werden, um die Einheit des Landes zu bewahren, sagte der Staatschef, der eine Uniform trug. Der Westen habe das Ziel, sich die Region mit dem Zentrum Grodno einzuverleiben, behauptete Lukaschenko.

Kritiker werfen dem Staatschef vor, Spannungen zu schüren und die "militärische Karte" zu spielen, um von der schweren innenpolitischen Krise im Land abzulenken. Sie befürchten die Errichtung einer Militärdiktatur. Auf dem zentralen Markt in Minsk bildeten Frauen eine Menschenkette aus Protest gegen Fälschungen bei der Präsidentenwahl am 9. August und gegen Lukaschenkos "Diktatur". "Wie wollen nicht in Nordkorea leben", war auf dem Transparent einer Frau zu lesen, die sagte, dass sie es satthabe, in Angst zu leben.

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Immer wieder gingen Männer, die Lukaschenko unterstützen, auf die Frauen zu und beschimpften sie. Lukaschenko drohte bei seinem Besuch in der Stadt Grodno, wo seine Gegner besonders stark sind, hart durchzugreifen. Er setzte den Ex-Gesundheitsminister Wladimir Karanik als neuen Gouverneur des Gebietes ein, nachdem die Region sich zuvor auf die Seite der Opposition geschlagen hatte. Und er warnte die Kirchen im Land davor, sich in die politische Krise einzumischen. Von Montag an sollten in der Region alle Staatsbetriebe, in denen gestreikt wird, geschlossen bleiben. Lukaschenko wies das Innenministerium und den Geheimdienst KGB an, für Ordnung zu sorgen.

Die Lage ist auch deshalb gespannt, weil Hunderte bei Protesten Festgenommene in den Gefängnissen brutal misshandelt wurden. Das Entsetzen darüber ist in der Bevölkerung groß, die diese Fotos und Videos im Internet sieht. Das Staatsfernsehen zeigt die Spuren der Misshandlungen, die international Protest auslösten, nicht. Lukaschenko behauptete, 60 Prozent der Aufnahmen seien "inszeniert". Die Proteste würden von den EU-Nachbarländern Polen und Litauen gesteuert. Beweise dafür lieferte er aber nicht.

Am Sonntag soll es erneut Massenproteste geben

Seit der umstrittenen Präsidentenwahl am 9. August gibt es im ganzen Land Proteste und Streiks gegen Lukaschenko. Er hatte sich nach 26 Jahren an der Macht mit 80 Prozent der Stimmen zum sechsten Mal in Folge zum Sieger der Abstimmung erklären lassen. Die Opposition beansprucht dagegen den Wahlsieg für die Bürgerrechtlerin Swetlana Tichanowskaja.

Die 37-Jährige rief aus ihrem Exil im EU-Land Litauen die Menschen auf, sich an dem friedlichen Marsch für die Freiheit und ein neues Belarus an diesem Sonntag zu beteiligen. "Wir werden siegen", sagte sie in einer Videobotschaft. Am vergangenen Sonntag waren Hunderttausende Menschen auf den Straßen des Landes, um für einen Rücktritt Lukaschenkos und für Freiheit zu demonstrieren. Unterstützer Lukaschenkos kündigten ebenfalls Straßenaktionen an.

In Belarus waren erneut Dutzende Seiten unabhängiger und regierungskritischer Medien blockiert oder nur schwer abrufbar. Die Belarussische Vereinigung der Journalisten forderte die Führung des Landes auf, den Druck auf die Medien zu beenden und eine freie Berichterstattung zuzulassen. Die Zensur müsse aufhören, schrieb die Organisation.

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