Dabei stützen sie sich gerne auf Grundgedanken der Konservativen Revolution, und dabei insbesondere auf die Argumentation Carl Schmitts (1888-1985), eines der einflussreichsten Köpfe deutscher Staatslehre in der Weimarer Republik. Ihm galt und gilt auch heute noch die Verehrung nicht unwichtiger Teile der konservativen Intelligenz - trotz Schmitts Nähe zum Nationalsozialismus.
So attestiert man sich selbst etwa im Umkreis der Wochenzeitung Junge Freiheit (JF), einem der rührigsten Blätter der "Neuen Rechten", einen "verbreiteten Schmittismus", wie in einer Publikation des neurechten "Instituts für Staatspolitik" zu lesen ist. Und erst jüngst ist Schmitt in der JF als einer der großen Kritiker der "doktrinären Vorstellung von Menschenrechten als letzter Legitimationsbasis von Politik" gelobt worden.
In Schmitts Weltsicht besteht die Geschichte der Menschen wesentlich aus Kämpfen zwischen Kollektiven um Leben und Tod. Ein Kollektiv kann aber nur im Kampf bestehen, wenn es in sich stimmig, "homogen" ist: "Zur Demokratie gehört also notwendig erstens Homogenität und zweitens - nötigenfalls - die Ausscheidung oder Vernichtung des Heterogenen[...] Die politische Kraft einer Demokratie zeigt sich darin, dass sie das Fremde und Ungleiche, die Homogenität Bedrohende zu beseitigen oder fernzuhalten weiß." So Schmitt schon 1923, und 1969 unverändert.
Der Islam ist für die AfD ein solch Fremdes, das die deutsche Existenz bedroht. Und so verwundert es nicht, dass beim Stuttgarter Parteitag ein Mitglied, das den Antrag stellte, mit dem Islam in Deutschland in den Dialog zu treten, von einer großen Mehrheit ausgebuht wurde. Es ist auch nur folgerichtig, wenn zwei Führungspersonen, Frauke Petry und Beatrix von Storch, den Einsatz von Waffen zur Abwehr von Flüchtlingen an der Grenze vorschlugen.
Carl Schmitt hat seine Gedanken in seinen Schriften auf eine vielfältige Grundlage zu stellen versucht: Schutz der Kollektivglieder und ihr Gehorsam stehen für ihn in einem "ewigen Zusammenhang", gefordert "durch die menschliche Natur wie durch göttliches Recht", ja er sieht darin sogar eine nicht mehr hinterfragbare Denknotwendigkeit: "Das protego ergo obligo ist das cogito ergo sum des Staates." ("Ich schütze, also kann ich auch Gehorsam erwarten"). Dieser Satz ist für Schmitt genauso denknotwendig wie Descartes' "Ich denke, also bin ich".
"Polemos" statt "Polis"
Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass die AfD gerne Andersdenkende als fehlgeleitete "Gutmenschen", als bewusst fehlleitende, nur Eigeninteressen verpflichtete Eliten oder eben auch als "Lügenpresse" abkanzelt. Sie selbst sieht sich, auch hier wieder typisch neurechts, keinen gefährlichen Illusionen verhaftet, die dem eigenen Volk schaden.
Es ist kein Wunder, dass die "Neue Rechte" in ihren Publikationen und Werbeaktionen kräftig die AfD unterstützt. Und diese scheint in ihrer Mehrheit trotz aller Differenzen im Einzelnen nicht abgeneigt zu sein, zum parlamentarischen Arm der "Neuen Rechten" zu werden.
Hermann Heller, ein anderer bekannter Staatslehrer der Weimarer Republik, der schon 1933 im spanischen Exil starb, hat Carl Schmitt vorgeworfen, er leite den Begriff "Politik" vom griechischen Polemos (Krieg) ab und nicht von Polis (Stadt). Mit diesem Wort wird der Ort bezeichnet, wo freie Menschen mit gleichen Rechten und nur mit der Kraft ihrer Argumente miteinander über die Gestaltung ihrer gemeinsamen Zukunft streiten. Für diese demokratische Auseinandersetzung bietet der Artikel 1 des Grundgesetzes die beste Basis.
Wolfgang Gessenharter, 74, ist emeritierter Professor für Politikwissenschaft an der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr in Hamburg. Seit mehr als dreißig Jahren forscht er über Rechtsextremismus.