Die türkische Polizei hat Tränengas und Gummigeschosse gegen Teilnehmer einer Demonstration zum Maifeiertag in Istanbul eingesetzt. 210 Personen seien festgenommen worden, sagte Innenminister Ali Yerlikaya am Mittwoch. Die Demonstranten wollten den Taksim-Platz erreichen. Dort war es 2013 wochenlang zu großen Protestaktionen gegen die Regierung gekommen.
Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte am Vorabend des Maifeiertags erklärt, dass der von der Polizei abgeriegelte Taksim-Platz nicht für die jährlichen Proteste genutzt werden dürfe. Der Vorsitzende der größten Oppositionspartei CHP, Özgur Özel, rief trotz eines Verbots zu der Kundgebung auf dem Platz auf.
Über 200 Festnahmen in Istanbul
Das Verfassungsgericht hatte Ende vergangenen Jahres entschieden, dass ein Demonstrationsverbot am Taksim-Platz das Recht auf friedliche Versammlung verletze. Özel bezeichnete das Verbot als beschämend und verwies darauf, dass die Urteile des Verfassungsgerichts bindend seien. "Wenn der 1. Mai nicht auf dem Hauptplatz des Landes gefeiert wird, ist die Demokratie in Gefahr", sagte Özel. "Dieser Kampf wird weitergehen, bis Taksim frei ist."
Arbeiter und Gewerkschaftsmitglieder versammelten sich am Mittwochmorgen im Stadtviertel Sarachane, um zum Taksim-Platz zu marschieren. Dort wollten sie gegen die steigende Inflation und die wirtschaftliche Not protestieren. Özel und der Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoğlu, der vor wenigen Wochen als CHP-Kandidat wiedergewählt wurde, schlossen sich dem Marsch an.
Die Behörden hatten Scharfschützen postieren lassen. Wasserwerfer und Dutzende Polizisten versperrten alle Wege zum Platz, wie ein Video der Nachrichtenagentur Reuters zeigt. Einige Demonstranten warfen Steine auf die Sicherheitskräfte, als diese versuchten, die Barrikaden zu durchbrechen. Innenminister Yerlikaya sagte, dass mehr als 42.000 Polizeibeamte in Istanbul zum Einsatz kamen.
Die Proteste konzentrieren sich häufig auf den Taksim-Platz, wo am 1. Mai 1977 bei Demonstrationen 34 Menschen getötet wurden.