Aussage im NSU-Prozess:"Auf so einen Quatsch habe ich jetzt keine Lust"

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Er war einer der engsten Kumpel des Neonazi-Trios. Als Zeuge im NSU-Prozess fällt André K. durch dreistes Auftreten und seine politische Einstellung auf - so sehr, dass Ankläger und Anwälte über den richtigen Umgang damit streiten.

Aus dem Gericht von Annette Ramelsberger

André K. ist 38 Jahre alt, ein dicker, bärtiger Mann mit unverwüstlichem Selbstbewusstsein. Beruflich ist er in der Baubranche tätig, politisch am äußersten rechten Rand. Er war Mitbegründer des "Thüringer Heimatschutzes", aus dem später der NSU erwuchs. Er war einer der engsten Kumpel von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, er hat ihnen auch geholfen - doch diese Taten sind verjährt. Seine politische Einstellung ist nicht verjährt, die scheint frisch zu sein wie eh und je. Er tut auch als Zeuge im NSU-Prozess nichts, um sich von damals zu distanzieren.

Zum dritten Mal ist André K. bereits als Zeuge geladen, denn er hält sich mit allem, was seine alten Freunde betrifft, sehr zurück. Eigentlich kann er sich an nichts erinnern. Sein Gedächtnis soll nun wieder durch Hunderte Fragen durchdrungen werden. Und zumindest erfährt man dadurch recht genau, was André K. denkt.

Der Thüringer Heimatschutz hatte den Wahlspruch: "Der Gott, der Eisen wachsen ließ, der wollte keine Knechte." Was das bedeute?, wird er von Anwälten der Nebenklage gefragt. " Auf so einen Quatsch habe ich jetzt keine Lust", sagt André K. "Es ging um germanische Freiheitskämpfe." Und dass es auch ihm lieber sei, stehend zu sterben als knieend zu leben. "Ich würde es vorziehen, wenn ich wie so ein Depp in der BRD vor dem Fernseher versumpfen würde, dann kann es meinetwegen auch vorbei sein." Für ihn steht der Feind im Inneren. "Das kann ich unterschreiben", sagt der Zeuge. Dann wird im Gerichtssaal das Manifest des Thüringer Heimatschutzes vorgelesen, es gipfelt in der Zeile: "Die Errichtung einer multikulturellen Gesellschaft ist eines der größten Verbrechen, was an der Menschheit verübt wurde und wird." Da fragt André K.: "Was ist daran falsch?"

Presseleute, Richter und Politiker statt Gemüsehändler?

In einem Interview in der Jungen Freiheit sagte er, "da erschieße ich doch keine unschuldigen Gemüsehändler, da erschieße ich doch eher Presseleute, Staatsanwälte, Richter und Politiker". Ja, sagt André K. nun vor Gericht, "da wäre es doch sinnvoller, nach der Logik der RAF dem Übel an die Wurzel zu gehen". So etwas sagt dieser Mann im Gerichtssaal und niemand geht dazwischen.

Nur ob er sich mit Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe je darüber unterhalten hat, ob man etwas gegen Ausländer unternehmen muss, daran erinnert er sich nicht. Die Nebenklage glaubt: Der Mann lügt.

Auch am Tag zuvor war dieser Eindruck stark. Da sagte ein Mann aus, der für Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt als Strohmann eine Wohnung besorgt hatte, als sie untertauchten. Aber nie will er mit ihnen über die Hintergründe des Abtauchens gesprochen haben.

"Wir sind hier nicht das Jüngste Gericht"

Und dann sagte er auf eine Frage, es sei ihm "egal gewesen, ob sie einen Schokoriegel geklaut oder jemanden umgebracht haben". - "Was waren Ihre Gedankengänge, als die Mordserie 2011 bekannt wurde?", fragte die Anwältin Gül Pinar. Doch in diesem Augenblick ging die Bundesanwaltschaft dazwischen und beanstandete die Frage. "Es geht nicht darum, dass der Zeuge seine Einstellungen rechtfertigen muss", sagte Bundesanwalt Herbert Diemer. "Wir sind hier nicht das Jüngste Gericht. Wir sitzen über Frau Zschäpe und andere zu Gericht."

Daraufhin gab es Streit. Der Anwalt Alexander Hoffmann rief: "Der Zeuge lügt uns hier die Tasche voll. Der Zeuge meint, dass er weiter lügen kann und auch noch Unterstützung von der Bundesanwaltschaft kriegt." Die Nebenklage-Anwälte weigerten sich, weitere Fragen zu stellen, obwohl der Richter die Frage zuließ.

Sie erklären nun, am Tag danach, Zeugen aus der rechten Szene hätten offenbar mit keinerlei Sanktionen zu rechnen. Bundesanwalt Diemer erklärte auch etwas: "Die Unterstellung, dass ich nicht an der Aufklärung der Wahrheit interessiert wäre, weise ich als böswillige Unterstellung auf das Schärfste zurück."

© SZ vom 21.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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