OLG München:Zehn Jahre Haft wegen geplanten Mordes an tschetschenischem Regimekritiker

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Der Verurteilte soll zwischen März und Juni 2020 den Befehl für den Mord erhalten haben. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Waffe und Munition waren schon gekauft: Der Verurteilte hatte den Mordbefehl erhalten, wurde aber vor der Tat festgenommen. Diese sei "mit Wissen, Billigung und Interesse" des tschetschenischen Machthabers Kadyrow vorbereitet worden, sagt der Richter.

Weil er die Ermordung eines in Deutschland lebenden tschetschenischen Regimekritikers geplant hat, muss ein russischer Staatsbürger für zehn Jahre ins Gefängnis. Das Oberlandesgericht München verurteilte den Mann wegen Sichbereiterklärens zur Begehung eines Mordes und Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat.

Nach Erkenntnis des Gerichts hatte der Verurteilte zwischen März und Juni 2020 den Befehl für den Mord erhalten. Er bereitete die Tat im Auftrag eines Cousins des tschetschenischen Machthabers Ramsan Kadyrow vor, beschaffte eine scharfe Schusswaffe samt Munition und beauftragte seinerseits einen weiteren Mann, die Tat auszuführen. Gemeinsam kundschafteten beide im Dezember desselben Jahres das Umfeld des Opfers in Schwabmünchen (Landkreis Augsburg) aus. Der auserkorene Schütze sträubte sich laut Anklage jedoch und ließ den Plan auffliegen.

Der Mord sei "mit Wissen, Billigung und Interesse" von Machthaber Kadyrow vorbereitet worden, sagte der Vorsitzende Richter Christoph Wiesner. Nicht nur das Opfer selbst habe zum Schweigen gebracht werden sollen, sondern auch dessen in Schweden lebender Bruder - eine "Blutrache", sagte Wiesner. Die Bundesanwaltschaft hatte Ende Juni elf Jahre Haft gefordert, die Verteidigung einen weitgehenden Freispruch. Der Angeklagte sei allenfalls wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz zu einer Bewährungsstrafe zu verurteilen.

Immer wieder lässt das Regime der russischen Teilrepublik Tschetschenien in der EU lebende Kritiker ermorden. Eine Auswahl der vergangenen Jahre:

  • 2009 erschossen Schergen der Regierung einen Tschetschenen in Wien, der vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen die Regierung seiner Heimat geklagt und Kadyrow Folter vorgeworfen hatte.
  • 2019 tötete ein Schütze einen tschetschenischstämmigen Georgier im Berliner Tiergarten. Der Mörder handelte nach Erkenntnis des Berliner Gerichts im Auftrag der russischen oder tschetschenischen Regierung, der Richter sprach von "Staatsterrorismus".
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Annette Ramelsberger, Christoph Koopmann (Text) und Stefan Dimitrov (Illustrationen)

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