Aufständische in Syrien:Von der Welt verlassen

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Die syrische Opposition ist selbstbezogen und heillos zerstritten. Auch deshalb sieht die Internationale Gemeinschaft bei der Gewalt in Syrien tatenlos zu - mit fatalen Folgen: Präsident Assad lässt diplomatische Angebote abtropfen, die Aufständischen fühlen sich von der Welt im Stich gelassen. Die Verluste sind höher geworden, ebenso der Hass. Und das ist nur der Anfang.

Sonja Zekri

An Warnungen fehlt es nicht, heute nicht und damals auch nicht. Schukri al-Quwatli war zweimal Präsident Syriens und zweimal wurde er aus dem Amt gedrängt, zuletzt von Ägyptens Staatschef Gamal Abdel Nasser während der kurzlebigen syrisch-ägyptischen Verschmelzung zur Vereinigten Arabischen Republik. Die Syrer, so Quwatlis Warnung, seien kaum zu regieren: "50 Prozent halten sich für nationale Anführer. 25 Prozent sehen sich als Propheten, und zehn Prozent glauben, sie sind Gott."

Vielerorts wird gegen Präsidenten Assad demonstriert - hier vor der syrischen Botschaft in Amman. (Foto: REUTERS)

Wer die Performance der aktuellen Opposition gegen Präsident Baschar al-Assad betrachtet, ahnt, was sein Vorvorgänger meinte: Der Syrische Nationalrat hat es auch beim hochkarätigen Treffen der "Freunde Syriens" in Tunesien nicht geschafft, sich als einzige Vertretung der Opposition zu präsentieren. Wie auch: Die über 300 Mitglieder wirken fast narzisstisch selbstbezogen, verantwortungslos zerstritten, sie werden dominiert von Islamisten und sind für belagerte Städte wie den Leidensort Homs so gut wie irrelevant.

Bis heute gehört der Führungsriege nicht ein Alawit an. Dabei wäre es ein elementares Signal, dass die bei den Assad-Gegnern verhasste religiöse Sekte, der der Präsidentenclan und hohe Sicherheitskräfte angehören, nach dem Sturz Assads einen Platz hat.

Der Nationalrat fordert Waffen für die Aufständischen

Der Nationalrat forderte in Tunis Waffen für die Aufständischen, aber die "Freunde Syriens" zögern. Ein humanitärer Korridor, eine Pufferzone, ein Flugverbot - alle diese Vorschläge enthalten ein Eskalationspotential, das der Westen zu Recht fürchtet. Wer soll einen humanitären Korridor schützen und was geschieht, wenn er angegriffen wird? Wie groß ist der Aufwand, um die syrische Luftwaffe auszuschalten?

Allerdings ist das Entsetzliche an den Berichten aus Syrien, dass auch die internationale Tatenlosigkeit fatale Folgen hat. Den Eingeschlossenen von Homs hilft es wenig, wenn Washington oder Berlin Assads Rücktritt fordern. Sie fühlen sich von der Welt verlassen, zurückgeworfen auf das eigene Leid - und die eigene Kraft.

Assad-Gegner werden immer radikaler

Über Monate hinweg haben sich selbst jene Assad-Gegner bewaffnet und radikalisiert, die sich in einem kurzen Zeitfenster zu Beginn des Aufruhrs von einem Reformvorstoß wie dem Verfassungsreferendum am Sonntag noch hätten besänftigen lassen. Sunnitische Dschihadisten aus Irak haben in Syrien eine neue Aufgabe gefunden: Sie dienen sich jenen als Verstärkung an, denen sonst niemand hilft.

Diplomatische Vorschläge tropfen an Assad ab. Der Sondergesandte Kofi Annan müsste Wunder wirken, um auch nur eine Feuerpause zu erzwingen. Für Assads konfessionelles Apartheid-Regime der schiitischen Alawiten über die sunnitische Mehrheit geht es längst ums physische Überleben. Nach den Erfahrungen der syrischen Geschichte wissen die Aufständischen: Für sie gilt dasselbe.

Die Waffen sind schwerer geworden, die Verluste höher, auch der Hass. Das Schlimmste aber: Es ist nur der Anfang.

© SZ vom 25.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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