Aufstand gegen Assad:Syrer stimmen über neue Verfassung ab

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Mitten im bewaffneten Aufstand lässt das syrische Regime über eine neue Verfassung abstimmen. Die Opposition ruft zum Boykott auf: Assads Macht würde dadurch kaum eingeschränkt. Inzwischen hat das Rote Kreuz die Evakuierungen aus der heftig umkämpften Stadt Homs gestoppt.

Überschattet von anhaltender Gewalt hat in Syrien am Sonntagmorgen die Abstimmung über eine neue Verfassung begonnen. Bereits am frühen Morgen öffneten landesweit rund 14.000 Wahllokale. Etwa 15 Millionen Wahlberechtigte sind vom Regime von Präsident Baschar al-Assad aufgerufen, sich an dem Referendum zu beteiligen. Wichtigste Neuerung ist, dass die Monopolstellung der regierenden Baath-Partei aufgehoben werden soll.

Kafar Taharim: Protest gegen Asssad in den Flaggen der syrischen Opposition (Foto: dapd)

Die Opposition rief zum Boykott der Volksabstimmung auf, weil ihr der Entwurf nicht weit genug geht. Die Macht des Präsidenten werde kaum eingeschränkt, kritisieren Aktivisten. Sie befürchten, dass künftig nur regimenahe Gruppen Parteien gründen dürfen.

Aktivisten berichteten von Gefechten mit Assads Truppen in vielen syrischen Städten. Es gab neue Angriffe der Armee auf die Protesthochburg Homs, im heftig umkämpften Stadtviertel Baba Amr seien mehrere Granaten eingeschlagen, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London mit. Auch in anderen Vierteln von Homs gab es demnach Explosionen und anhaltende Schusswechsel.

Zudem habe es in der Stadt Deir Essor im Osten des Landes, im zentralen Hama und im nordwestlichen Idleb heftige Gefechte gegeben, berichtete die Beobachtungsstelle weiter. Bei Razzien gegen Oppositionelle seien in Deir Essor mindestens neun Menschen festgenommen worden. In der südlichen Stadt Daraa kämpften den Angaben zufolge weiter Soldaten gegen Deserteure der syrischen Armee.

Bereits am Samstan kamen landesweit nach Oppositionsangaben, die der US-Nachrichtensender CNN zitiert, etwa 100 Menschen ums Leben.

Rotes Kreuz setzt Evakuierungen aus

Am Samstag konnten das Rote Kreuz und der Rote Halbmond keine weiteren verletzten Zivilisten aus dem Stadtteil Baba Amr von Homs in Sicherheit bringen. Hisham Hassan vom Internationalen Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) sagte, Verhandlungen mit den Behörden und der Opposition hätten "keine konkreten Ergebnisse" gebracht. Das IKRK setzt sich für eine täglich zweistündige Kampfpause ein, um die Menschen in den Krisenregionen besser versorgen zu können.

Am Freitag brachte das Rote Kreuz erste Verletzte aus den Krisengebieten. Die vor wenigen Tagen in Homs verletzten Journalisten waren nicht unter ihnen. Die französische Reporterin Edith Bouvier und der britische Fotograf Paul Conroy hatten am Mittwoch bei einem Artillerieangriff Verletzungen am Bein erlitten. Bei der Attacke waren die US-amerikanische Journalistin Marie Colvin und der französische Fotograf Rémi Ochlik getötet worden.

Colvins Mutter hofft unterdessen auf die Überführung ihrer Tochter nach New York. Helfer haben bereits versucht, die Leichen der beiden Journalisten zu bergen. Die Familie "hofft sehr, sehr stark, dass sie die beiden da heraus holen", sagte Rosemarie Colvin am Samstag der Nachrichtenagentur AP. Ihre Tochter arbeitete für die Londoner Sunday Times.

Militärische Interventionen unerwünscht

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) warnte vor Debatten über eine militärische Intervention. Dem Berliner Tagesspiegel sagte Westerwelle einen Tag nach dem ersten Treffen der Syrien-Kontaktgruppe: "Wir müssen alles vermeiden, was Syrien einem Stellvertreterkrieg näher bringen könnte." Er fügte hinzu: "Das könnte in der Region einen Flächenbrand auslösen und am Ende eine Konfrontation heraufbeschwören, die bis nach Moskau oder Peking reicht."

Am Freitag hatte sich die neue Kontaktgruppe der "Freunde Syriens" erstmals in Tunesien getroffen, um über eine Lösung des Konflikts zu beraten. Die mehr als 60 Staaten und Organisationen drohten mit weiteren Sanktionen, falls das Regime die Gewalt gegen das eigene Volk nicht sofort beende. Von einer Militärintervention in Syrien wollten die Teilnehmer jedoch nichts wissen. Sie hatten sich zusammengeschlossen, nachdem die Vetomächte Russland und China im UN-Sicherheitsrat mehrfach Zwangsmaßnahmen gegen Syrien verhindert hatten.

© Süddeutsche.de/dpa/AFP/dapd/infu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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