Attentat in Straßburg:Tatverdächtiger saß etliche Jahre im Gefängnis - auch in Deutschland

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Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der mutmaßliche Attentäter ins nahe Deutschland geflüchtet ist - in Kehl kontrolliert die Polizei die Grenze und auch die Straßenbahn. (Foto: dpa)
  • Die Fahndung nach dem mutmaßlichen Täter, der am Dienstagabend in Straßburg zwei Menschen getötet hat, läuft.
  • Es werden mehr Details zu dem 29-Jährigen bekannt: So wurde der gebürtige Franzose Chérif C. mehrfach wegen Diebstahls zu Haftstrafen verurteilt - zuletzt vom Amtsgericht Singen.
  • Nachdem er seine Strafe in Deutschland verbüßt hatte, wurde er 2017 nach Frankreich abgeschoben.
  • Auch nach einem Bruder des Verdächtigen wird offenbar gefahndet.

Der mutmaßliche Angreifer von Straßburg, der am Dienstagabend zwei Menschen (bisher wurde von drei Toten berichtet) auf einem Weihnachtsmarkt getötet und mehrere weitere zum Teil lebensgefährlich verletzt hat, hat offenbar in der Vergangenheit wegen diverser Delikte Haftstrafen abgesessen. Und das auch in der Schweiz und in Deutschland.

Nach Kenntnis der deutschen Justiz ging es in allen Fällen um Einbrüche. So verurteilte das Amtsgericht Singen den heute 29-Jährigen Chérif C. Mitte 2016 zu zwei Jahren und drei Monaten Haft, weil er in eine Zahnarztpraxis in Mainz und eine Apotheke in Engen im Süden Baden-Württembergs eingebrochen war. Nach dem Verbüßen der Strafe wurde er im Jahr 2017 nach Frankreich abgeschoben. Wie aus dem entsprechenden Urteil außerdem hervorgeht, wurde er unter anderem schon 2008 in Frankreich und 2013 in der Schweiz jeweils wegen mehrerer Einbrüche zu Gefängnisstrafen verurteilt. Insgesamt saß er vor seiner Verurteiltung in Singen vier Jahre in Haft. Alle Taten hat er zugegeben.

Den Gerichtsakten zufolge wurde Chérif C. in Straßburg geboren, der Nachrichtenagentur dpa zufolge hat die Familie nordafrikanische Wurzeln. Er sei zusammen mit sechs Geschwistern im Elternhaus in Straßburg aufgewachsen, habe einen dem Hauptschulabschluss vergleichbaren Abschluss, er habe aber keine Ausbildung gemacht. Nach der Schule arbeitete C. den Angaben zufolge bei der Gemeinde, seit 2011 sei er arbeitslos gewesen und nach eigener Aussage viel gereist.

Nach Angaben der französischen Behörden soll der 29-Jährige als potenzieller Gewalttäter bekannt gewesen sein - bislang allerdings nicht im Zusammenhang mit Terrorismus. Insgesamt gibt es dem französischen Generalstaatsanwalt zufolge 27 Gerichtsurteile gegen C. Während seiner Gefängnisaufenthalte habe der Verdächtige sich zunehmend islamistisch radikalisiert. Seit 2015 wurde er als potenzieller Gefährder eingestuft und von da an in Frankreich überwacht. Das genaue Motiv für den Angriff vom Dienstagabend sei weiter unklar. Möglicherweise sei der Auslöser gewesen, dass die Polizei ihn am Dienstag habe festnehmen wollen.

Der mutmaßliche Täter hätte am Dienstagmorgen verhaftet werden sollen

Eigentlich hätte C. am Dienstagmorgen im Zusammenhang mit einem Mordversuch verhaftet werden sollen. Er war jedoch nicht zu Hause. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung Stunden vor den Schüssen sollen Granaten gefunden worden sein, wie France Info und die Zeitung Le Parisien berichteten. Die Straßburger Staatsanwaltschaft sprach auch von sichergestellten Messern, Schusswaffenmagazinen und einer geladenen Handfeuerwaffe.

Seit dem Attentat am Dienstagabend ist der mutmaßliche Täter auf der Flucht. Die Behörden leiteten Terrorermittlungen ein. Die französische Regierung rief die höchste Sicherheitswarnstufe aus und entsandte polizeiliche Verstärkung nach Straßburg. Dort fahnden etwa 350 Sicherheitskräfte nach dem 29-Jährigen, der bei einem Schusswechsel mit Soldaten angeschossen wurde - offenbar ist er am Arm verletzt.

Auch nach Chérifs Bruder Sami C. wird wohl gesucht. Das sagte ein hochrangiger Sicherheitsexperte dem Berliner Tagesspiegel. Beide Brüder würden diesem zufolge als radikalisiert eingestuft und dem Straßburger Islamistenmilieu zugerechnet. Kontakte zur Salafistenszene in Deutschland seien bislang allerdings nicht bekannt. Den deutschen Sicherheitsbehörden seien sowohl der mutmaßliche Angreifer als auch sein Bruder der dpa zufolge nicht als Gefährder bekannt.

Dass die beiden Männer ins benachbarte Deutschland geflüchtet sind, kann nicht ausgeschlossen werden. Seit dem Abend kontrolliert die Bundespolizei vier Grenzübergänge nach Frankreich - in Kehl, Iffezheim, Breisach und Rheinau. Pendler müssten sich auf Wartezeiten von bis zu 90 Minuten einstellen, so ein Sprecher. Nicht nur der Straßenverkehr, sondern auch der öffentliche Nahverkehr werde überprüft. Dazu zählt auch die grenzüberschreitende Tram D. Diese war in der Nacht bereits komplett gesperrt worden, inzwischen fährt sie aber wieder. Laut Polizei wird auch die Fußgänger- und Radfahrerbrücke Passerelle des Deux Rives, die Brücke der zwei Ufer, zwischen Kehl und Straßburg kontrolliert.

© SZ.de/AFP/dpa/Reuters/sks/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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