Atomverhandlungen mit Iran:Lieber kein Abkommen als ein schlechtes Abkommen

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Im Schweizer Montreux verhandelt US-Außenminister John Kerry mit Irans Außenminister Mohammad Javad Zarif über ein Abkommen. (Foto: AP)

Trotz aller Hysterie hat Israels Premier Netanjahu recht: Ein Atomabkommen mit Iran würde Sicherheit nur vorgaukeln. Was ist die Alternative? Für Militärschläge ist es zu spät. So bleiben nur mehr Sanktionen - und Sabotage.

Kommentar von Hubert Wetzel

Bald 15 Jahre zieht sich das Gezerre um Irans Atomprogramm nun schon hin. In dieser Zeit wurde verhandelt und gedroht, es wurden Sanktionen verhängt und Angebote gemacht. Gebracht hat all das wenig. Lässt man einmal das ganze diplomatische Gewölk beiseite, dann sieht die Lage so aus: Teheran ist nach wie vor nicht bereit, auf die Teile seiner Nuklearindustrie zu verzichten, die für eine militärische Nutzung wichtig sind. Im Gegenteil: Gerade die Urananreicherung wurde drastisch ausgebaut. Irans Regime versichert zwar, keine Atombomben bauen zu wollen. Aber es beharrt darauf, über die technischen Möglichkeiten zum Bau solcher Waffen verfügen zu können.

Man muss kein Freund des alarmistischen israelischen Premiers Benjamin Netanjahu sein, um den Versprechen aus Teheran zu misstrauen. Man muss auch nicht - wie Netanjahu jetzt wieder vor dem US-Kongress - die Gefahr eines "nuklearen Holocausts" beschwören, um zu dem Schluss zu kommen, dass ein aggressives Regime wie das iranische nie in den Besitz von Nuklearwaffen gelangen sollte.

Schon die viel wahrscheinlichere Aussicht auf einen atomaren Rüstungswettlauf zwischen Iran und seinen regionalen Rivalen, allen voran Saudi-Arabien, ist finster genug. Was eine solche nukleare Aufrüstung der Schutzmächte für das Eskalationspotenzial der vielen schiitisch-sunnitischen Stellvertreterkriege in der Region hieße, kann sich jeder ausmalen - in düsteren Farben.

Iran lässt sich nicht per Vertrag am Bau der Bombe hindern

Trotz der ernüchternden Erfahrungen hoffen die USA und Europa noch auf ein Atomabkommen mit Teheran. Um die Skeptiker zu beruhigen, warf Barack Obama jüngst zwei Beruhigungspillen in die Debatte, in Gestalt zweier Zahlen: eins und zehn. Das angestrebte Abkommen, versicherte der US-Präsident, müsse Teherans nukleare Industrie so weit einschränken, dass Iran für den Bau einer Atombombe selbst dann noch ein Jahr brauche, wenn das Regime den Vertrag bräche. Und: Ein solches Abkommen müsse für mindestens zehn Jahre gelten. Ein bisschen Zeit also soll den Puffer bilden zwischen den Theokraten in Teheran und der Bombe.

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Doch das wird kaum funktionieren. Es ist nach jetzigem Stand kein Abkommen denkbar, das für Teheran akzeptabel ist und gleichzeitig sicherstellt, dass Iran wirklich nie eine Atombombe baut. Gäbe es eine solche Lösung - man hätte sie längst gefunden. Viel eher wird ein Abkommen den von Iran bereits erreichten Status als nukleare Schwellenmacht festschreiben und seine Möglichkeiten beschneiden, die Schwelle zur echten Atommacht schnell und heimlich zu überwinden.

Aber der Vertrag wird das Überschreiten dieser Schwelle nicht unmöglich machen. Dieser grundsätzliche Makel lässt sich auch durch kosmetische Ein- oder Zehnjahresfristen nicht kaschieren. Und man sollte nicht darauf wetten, dass die anderen Länder in der Region, deren Hegemonialhunger kaum geringer als der iranische ist, warten, bis sich Teheran als Erster die Bombe beschafft hat.

Ein Abkommen würde Hoffnung vorgaukeln, die es nicht gibt

In diesem Punkt hat Benjamin Netanjahu daher recht trotz aller Hysterie, die er verbreitet: Ein Abkommen, das Teheran die technischen Möglichkeiten zum Bombenbau lässt, ist schlechter als gar kein Abkommen. Es würde Sicherheit vorgaukeln, die es nicht gibt. Es würde von der Hoffnung leben, dass in zehn Jahren in Teheran nettere, friedlichere Menschen regieren als heute. Als sicherheitspolitisches Fundament taugt das nicht.

Was also ist die Alternative? Ein Militärschlag eher nicht. Dazu dürften Irans Atomfabriken inzwischen zu groß und zu gut geschützt sein. Vielleicht bleibt nur der Versuch, jene Mittel noch länger und schärfer anzuwenden, die bisher moderate Erfolge gebracht haben: Wirtschaftssanktionen und Sabotage. Wie lange und wie scharf - das muss am Ende Teheran entscheiden.

© SZ vom 05.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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