Kampf gegen die Unruhen in Syrien:E-Mails sollen Assad bloßstellen

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Verhaltenstipps aus Teheran, Kerzenleuchter aus Paris und Musik-Downloads von iTunes: Der syrische Machthaber Assad scheint mit seiner Familie von den blutigen Unruhen auf Syriens Straßen weitgehend unbehelligt zu leben. Eine britische Tageszeitung hat jetzt eine ausgedehnte E-Mail-Korrespondenz des Präsidentenpaares veröffentlicht. Doch sind die Schreiben authentisch?

Barbara Galaktionow

Vor genau einem Jahr begann in Syrien der Aufstand gegen das herrschende Regime. In diesem Zeitraum ist Machthaber Baschar al-Assad mit zunehmender Brutalität gegen die Aufständischen vorgegangen. Die britische Tageszeitung Guardian veröffentlicht nun E-Mails, die von den privaten Konten des syrischen Präsidenten und seiner Frau Asma stammen sollen. Sie erlauben einen intimen Blick auf die Vorgänge im innersten Zirkel um Assad in dieser Zeit der Krise, auf Kontakte nach Teheran, Tipps von Beratern und private Vergnügen des Präsidentenpaars - vorausgesetzt, die E-Mails sind echt.

Kronleuchter und iTunes: Während die Opposition auf Syriens Straßen mit aller Gewalt unterdrückt wird, pflegen Präsident Baschar al-Assad und seine Frau Asma offenbar einen davon unberührten Lebensstil. (Foto: dpa)

Mehr als 3000 digitale Dokumente sind dem Guardian nach eigenen Angaben von syrischen Aktivisten zugespielt worden. Sie sollen zwischen Juni 2011 und Anfang Februar 2012 von Mitgliedern des Obersten Revolutionsrats abgefangen worden sein. Dann war die heimliche Beobachtung aufgeflogen, vermutlich im Zuge einer Aktion der Gruppe Anonymous, die offizielle syrische Websites gehackt hatte.

Die Zeitung geht nach umfangreichen Prüfungen von der Authentizität des digitalen Schriftverkehrs aus. Darauf deuteten zum einen bestimmte Inhalte hin, die selbst von Geheimdiensten nur schwer zu fälschen seien, beispielsweise ein Scan des Ausweises von Assad. Zum anderen habe man einzelne digitale Schriftwechsel überprüft, indem man mit den Beteiligten Kontakt aufgenommen habe, so zum Beispiel einem Mitarbeiter des US-Fernsehsenders ABC. Trotz aller Bemühungen lasse sich aber nicht völlig ausschließen, dass es sich auch um Fälschungen handeln könne, schreibt der Guardian.

Sollten die E-Mails tatsächlich authentisch sein, so bestätigen sie unter anderem die enge Verbindung des syrischen Regimes zu Iran. Demnach ließ sich Präsident Assad mehrfach von Teheran beraten, wie er mit dem Aufstand umgehen solle. In einem Schreiben fordert Assads Medienberater den Präsidenten zu einer "machtvollen und gewaltsamen" Sprache auf und andererseits dazu, freundschaftlich gesinnten Staaten Wertschätzung zu vermitteln.

Er rät dazu, mehr Informationen über die militärische Stärke des Regimes auszustreuen, um eine Intervention von außen zu verhindern. Sein Rat beruhe auf "Gesprächen mit einer Reihe von Personen", darunter der Berater des iranischen Botschafters, schreibt Assads Medienberater.

Warnung vor illegal eingereisten Reportern

Die E-Mails scheinen zudem zu zeigen, wie Assad sich ein Team von Beratern zusammenstellte, die über sein privates Postfach direkt mit ihm kommunizierten - und so seinen einflussreichen Clan und den Sicherheitsapparat des Landes umgingen. Diese Vertrauten unterstützten ihn beim Umgang mit Medien und mit der zunehmenden Kritik der internationalen Gemeinschaft.

Der syrische Machthaber scheint auch detailliert über die Anwesenheit von westlichen Journalisten im Bezirk Baba Amr in Homs informiert gewesen zu sein. So wird er vor "illegal eingereisten europäischen Reportern" gewarnt. Das ist insofern interessant, als im Februar in Homs bei Angriffen der syrischen Truppen zwei Journalisten aus den USA und Frankreich getötet worden waren. Unklar blieb damals, ob das syrische Regime von der Anwesenheit der Journalisten wusste.

Die digitalen Schreiben erlauben offenbar außerdem einen tiefen Einblick in die Gedankenwelt des isolierten syrischen Machthabers, der offensichtlich zwischen "Selbstmitleid, Trotz und Frivolität" schwanke, schreibt der Guardian. Regelrecht zynisch erscheint demnach beispielsweise die Weiterleitung eines Links zu einem Youtube-Video, auf dem eine äußerst geschmacklose Nachstellung der Belagerung von Homs mit einem Spielzeugauto und Keksen zu sehen ist.

Überhaupt zeichnen die E-Mails das Bild einer Präsidenten-Familie, die scheinbar unberührt von der Krise weiterhin einem ausschweifenden und luxuriösen Lebensstil frönt - während bei den Unruhen mittlerweile mehr als 9000 Menschen getötet worden sein sollen.

Während die Welt mit Entsetzen auf die brutale Unterdrückung der Proteste geblickt habe und viele Syrer unter Lebensmittelknappheit und andere Härten litten, habe Asma Assad "mehr als 10.000 britische Pfund für Kerzenhalter, Tische und Kronleuchter aus Paris ausgegeben und einen Angestellten aufgefordert, auf Amazon ein Fondueset zu bestellen", schreibt die britische Zeitung. Der Präsident selbst habe derweil beim Online-Musikshop iTunes unterschiedliche Musiktitel verschiedener britischer und amerikanischer Bands heruntergeladen - unter Umgehung der gegen ihn geltenden Sanktionen.

"Unsinnige Gesetze von Parteien, Wahlen, Medien"

Der Kampf Assads gegenüber Veränderungen in seinem Land, der sich in der brutalen Niederschlagung der Proteste in Homs und Idlib gerade deutlich zeigt, kommt auch in dem Schriftverkehr unmissverständlich zum Ausdruck. So bezeichnet der Präsident, der auf Druck von Kofi Annan gerade Parlamentswahlen für den 7. Mai angesetzt hat, die von ihm versprochenen Reformen in einer Mail als "unsinnige Gesetze von Parteien, Wahlen, Medien".

Auch der E-Mail-Kontakt von Assads Ehefrau Asma scheint nicht darauf hinzudeuten, dass das Präsidentenpaar tatsächlich eine grundlegende Veränderung der Lage in dem Land in Betracht zieht. So soll Asma Assad im Jahr 2011 regelmäßig mit der Tochter des Emirs von Katar, Mayassa al-Thani, korrespondiert haben. Nachdem Thani Anfang 2012 recht deutlich einen Machtverzicht von Präsident Assad vorschlug und dem Ehepaar den Gang ins Exil, - zum Beispiel nach Doha - empfahl, scheint sich die Verbindung jedoch abgekühlt zu haben.

Wenn die E-Mail-Korrespondenz authentisch ist, bestätigt sie, was im gewaltsamen Vorgehen der Assad-Truppen an vielen Orten Syriens sichtbar wird: Auch ein Jahr nach Beginn der Unruhen kann die Opposition des Landes nicht auf ein Einsehen des Machthabers hoffen.

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