Nach dem CDU-Parteitag:Was Laschets Wahl für die SPD bedeutet

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Der ordnungsgemäß maskierte neue CDU-Chef am Rand des Parteitags in Berlin. Mit dem Rücken zur Kamera Jens Spahn und Julia Klöckner. (Foto: Odd Andersen/AFP)

Das Votum bereitet den Sozialdemokraten gehörige Kopfschmerzen, was ihre Wahlkampfstrategie angeht: Wenn der neue CDU-Chef Angela Merkels Linie fortführt, wird es eng in der politischen Mitte.

Von Mike Szymanski, Berlin

Nun also Armin Laschet. Nach der Wahl des 59-Jährigen zum CDU-Vorsitzenden ist die Reaktion des Koalitionspartners SPD höflich, aber verhalten. Die Parteispitze lässt Glückwünsche ausrichten, das gehört sich so. Das war nicht anders, als Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans im Dezember 2019 nach langem Wettbewerb Vorsitzende der SPD wurden - obwohl bei ihrer Wahl nicht klar war, ob sie die große Koalition sprengen würden. Die beiden hatten im Wettstreit um den Vorsitz immer wieder mit dem vorzeitigen Aus geliebäugelt. Aber das ist lange her und wenn man so will: verziehen.

Die SPD werde Laschet "angesichts wichtiger Themen, die bis zum Ende der Legislaturperiode auf der Tagesordnung stehen, beim Wort nehmen. Konstruktiv und, wo nötig, in sachlich-hartem Ringen um den besten Weg für die Menschen", kündigte Walter-Borjans am Samstag an. Er kennt Laschet aus seiner Zeit als NRW-Finanzminister. Er weiß daher auch: Laschet, so kumpelhaft er auch auftritt, sollte man als Wahlkämpfer besser nicht unterschätzen. In NRW war es Laschet 2017 gelungen, die SPD samt ihrer beliebten Ministerpräsidentin Hannelore Kraft in die Opposition zu befördern. Auch Walter-Borjans, damals Finanzminister, musste sein Büro räumen.

CDU-Parteitag
:Spahn bedauert Werbe-Auftritt für Laschet

"Es war nicht das passende Format", twittert er. Beim CDU-Parteitag hatte er eine Fragerunde genutzt und ein Plädoyer für Laschet gehalten. Später bekam Spahn die Quittung dafür.

Nachdem Laschet nun den CDU-Vorsitz erobert hat, rechnen die Sozialdemokraten damit, dass er als Nächstes nach der Kanzlerkandidatur greift. CSU-Chef Markus Söder kann sich jedenfalls darauf einstellen, dass ein derart gestärkter Laschet ihm nicht kampflos den Vortritt lassen wird, auch wenn der Politiker aus Bayern in Umfragen, wem die Deutschen die Kanzlerschaft zutrauen, vor Laschet liegt. Rosige Aussichten sind das für die SPD nicht.

Merz wäre für die SPD ein Geschenk im Wahlkampf gewesen: ein "klares Feindbild"

Hätten die Delegierten Wirtschaftsexperte Friedrich Merz zum Vorsitzenden der Union gemacht, so wäre das ein Geschenk für die SPD gewesen. Merz hätte dem Wahlkampf gegeben, was die Sozialdemokraten so dringend brauchen: Reibung. Oder, wie es einer aus der SPD-Führung beschreibt: "ein klares Feindbild".

Merz' unbeholfener Umgang mit dem Thema Gleichstellung von Mann und Frau, sein wirtschaftsliberaler Kurs, die von ihm bediente Sehnsucht nach einem Konservatismus vergangener Tage - die Genossen hätten keine Minute nach dessen Wahl verstreichen lassen, im Wahlkampfmodus einen Gang hochzuschalten. Merz hätte ihnen die Echokammer geboten für ihre Forderungen nach einem Ausbau des Sozialstaates und eines stärkeren Lastenausgleichs in der Gesellschaft. Aber: Ihr Gegner heißt vorerst Laschet und nicht Merz. Und dieser zwingt die SPD, noch mal ihre Strategie zu überprüfen.

Als die Sozialdemokraten im Sommer 2020 Vizekanzler Olaf Scholz zum Kanzlerkandidaten machten, taten sie dies auch mit einer klaren Vorstellung, wie ihr Mann das Kanzleramt erobern soll. Angela Merkel tritt nicht wieder an, die Union kann also nicht mehr auf den Merkel-Bonus setzen. Die Hoffnung in der SPD: Wenn den Leuten erst mal richtig klar werde, dass Merkel nicht mehr zur Wahl steht, dann verkörpere Scholz ebenjene Kontinuität, nach der viele Wähler verlangten, die bisher wegen Merkel die Union gewählt haben. Im Moment steckt die SPD in Umfragen bei 15 Prozent fest. Aber von diesem "Moment des Erwachens" verspricht sich die SPD einen XXL-Effekt, der sie doch noch über 20 Prozent hievt.

Laschet denkt gar nicht daran, die politische Mitte freizugeben

Aber was passiert, wenn Laschet Merkels Stil einfach kopiert? Genau danach klang seine Bewerbungsrede: "Ich höre immer wieder, man muss auch polarisieren können. Ich sage: Nein, muss man nicht." Am Ende komme es darauf an, Kompromisse zu suchen. "Manche unserer Gegner nennen das 'Weiter so'." Laschet hat überhaupt keine Probleme damit, als Fortsetzung von Merkels Politik wahrgenommen zu werden. Im Gegenteil: Er denkt gar nicht daran, die politische Mitte freizumachen, die die SPD-Strategen ins Ziel genommen haben. Als Laschet bei seiner Rede die alte Bergmannsmarke seines Vaters als Glücksbringer in die Kamera hielt, bekam seine Rede für einen Augenblick sogar noch einen sozialdemokratischen Einschlag. Zu den Grünen bleibt er anschlussfähig.

Wenn es Laschet gelingen sollte, Geschlossenheit in der Union herzustellen, könnte die Strategie der SPD ins Leere laufen. Scholz gilt nicht als Krawallmacher. Außerdem wird das Pandemie-Management die Regierungspartner über Wochen zu einer gewissen Disziplin im Umgang miteinander zwingen. Das hilft Laschet, der SPD aber läuft die Zeit davon.

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