Argumente gegen die Todesstrafe in den USA:Zu teuer, zu willkürlich

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Die Strategie der Todesstrafengegner in den USA hat sich im Lauf der Jahrzehnte sehr geändert. (Foto: AP)

Je ungeschminkter, desto besser: Gegner von Hinrichtungen wollen, dass Amerika über die Realität der Todesstrafe diskutiert. Aber sie beklagen nicht mehr die moralischen Probleme, sondern die oft eklatanten Mängel bei Urteilen und Vollstreckung. Mit dieser Strategie haben sie bereits einige Erfolge erzielt.

Von Reymer Klüver

Hinrichtungen, sagt Alex Kozinski, einer der bekanntesten Berufungsrichter der Vereinigten Staaten und ein Mann des offenen Wortes, seien nun einmal "brutale, grausame Angelegenheiten". Eine Gesellschaft, die die Todesstrafe zulasse, müsse damit aufhören, sich einzureden, dass man Hinrichtungen zu einer klinischen Prozedur machen könne, "gelassen und friedlich anzuschauen". Die Empfehlung des Richters, der gewiss kein Gegner der Todesstrafe ist: Statt mit der Giftspritze sollten Delinquenten in Amerika künftig von einem Erschießungskommando füsiliert werden: "Acht oder zehn großkalibrige Gewehrpatronen, aus nächster Nähe abgefeuert, können massiven Schaden anrichten und haben jedes Mal den sofortigen Tod zur Folge."

Es mag widersprüchlich erscheinen: Aber Richter Kozinskis Tirade spricht vielen Todesstrafengegnern in den USA aus der Seele. Sie wollen, dass Amerika über die Realität der Todesstrafe diskutiert - je ungeschminkter, umso besser, in der Hoffnung, dass die Unterstützung in der Öffentlichkeit weiter sinkt. Denn die Realität der Todesstrafe in den Vereinigten Staaten ist, dass sie willkürlich verhängt wird: Jedes Jahr werden in den USA etwa 15 000 Menschen umgebracht, aber nur eine vergleichsweise geringe Zahl von Mördern wird zum Tode verurteilt (im vergangenen Jahr waren es 80). Jedes Todesurteil verursacht zudem abstrus hohe Kosten. Allein der Bundesstaat Kalifornien hat für knapp 2000 Todesstrafenprozesse in drei Jahrzehnten 4,6 Milliarden Dollar ausgegeben. Zudem sind die Verfahren juristisch oft zweifelhaft, wie eine Reihe von Wiederaufnahmeverfahren und Freisprüchen von Todeskandidaten - meist aufgrund neuer genetischer Tests - gezeigt hat. Und nun kommen noch die unsäglichen Pannen bei den Hinrichtungen selbst dazu.

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Immer mehr Bundesstaaten schaffen die Todesstrafe ab

Die Strategie der Todesstrafengegner in den USA hat sich im Lauf der Jahrzehnte seit der Wiederzulassung von Exekutionen 1976 sehr geändert. Sie argumentieren in erster Linie nicht mehr moralisch, dass die Todesstrafe als solche schlecht sei, ethisch fragwürdig und menschlich verabscheuenswürdig. Sie versuchen vielmehr die Todesstrafenbefürworter mit sachlichen Argumenten zu schlagen. "Wir müssen die Gemeinsamkeiten mit den Befürwortern der Todesstrafe betonen. Niemand möchte doch, dass unschuldige Menschen hingerichtet werden", sagt Richard Dieter, der Leiter des Washingtoner Death Penalty Information Center, das seit 1990 Informationen über Todesurteile und Exekutionen dokumentiert. "Wir müssen die Leute überzeugen, dass es einfach praktische Probleme mit der Todesstrafe gibt."

Tatsächlich haben die Gegner mit dieser Strategie bereits große Erfolge erzielt. Todesurteile und Vollstreckungen sind nach einem Höhepunkt in den Neunzigerjahren fast kontinuierlich zurückgegangen. Im vergangenen Jahr wurden in den USA 39 Menschen hingerichtet, mehr als zwei Drittel in nur drei Bundesstaaten: Texas, Florida, Oklahoma. Immer mehr Bundesstaaten schaffen die Todesstrafe ab, sechs in den vergangenen acht Jahren - nicht zuletzt aus Kostengründen. Und in der Öffentlichkeit ist die Unterstützung für Exekutionen auf 60 Prozent zurückgegangen - den niedrigsten Wert in vier Jahrzehnten. Der Grund: Immer weniger glauben, dass die Todesstrafe in Amerika fair und gerecht verhängt wird.

© SZ vom 25.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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