Vorwürfe gegen FPÖ-Chef:Das "Heil Hitler"-Rätsel

Lesezeit: 2 min

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache beschuldigt den ORF, für eine Reportage Skinheads bei seinem Wahlkampf zu "Heil Hitler"-Rufen angestiftet zu haben. Der ORF wehrt sich - und Strache muss nun ernste Konsequenzen fürchten.

Hannah Beitzer

Es ist ein kurzes Video, das auf dem Online-Portal Youtube heftig diskutiert wird: Zwei junge Skinheads drängen sich auf einer Wahlkampfveranstaltung in die Nähe von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und bitten den Rechtspopulisten um ein Autogramm. Sie sind schüchtern, schauen verlegen zu Boden. Strache überreicht ihnen ein Foto mit seinem Namen - und ruft plötzlich nach der Polizei. Mit dem Finger weist er direkt auf den Reporter Ed Moschitz, der hinter der Kamera steht.

Bürgernah und smart gibt sich Heinz-Christian "HC" Strache. Doch mit einer Bevölkerungsgruppe möchte er ungern in Verbindung gebracht werden: Skinheads. (Foto: REUTERS)

"Der hat hier ein paar Provokateure aufgestellt, die ganz bewusst etwas Neonazistisches gesagt haben", behauptet Strache vor laufender Kamera - "Heil Hitler" hätten sie gerufen, nachdem Moschitz die beiden Skinheads dazu aufgefordert habe. Allein: Auf dem Video ist davon nichts zu hören.

Dieser Ausschnitt einer Reportage aus der Doku-Reihe Am Schauplatz, für die der ORF die zwei arbeitslosen Skinheads Philipp und Kevin auf die Wahlkampfveranstaltung von Heinz-Christian "HC" Strache begleitet hat, ist Gegenstand eines bizarren Rechtsstreits - kurz vor den Landtagswahlen in Wien, dem Burgenland und der Steiermark. Der FPÖ-Chef wirft dem Fernsehsender vor, die Skinheads für ihr Erscheinen auf der Wahlkampfveranstaltung und das Rufen nazistischer Parolen bezahlt zu haben - um die FPÖ im Wahlkampf zu diskreditieren. Normalerweise kämen nämlich keine Skinheads zur FPÖ.

Das ausgestrahlte Video, auf dem die "Heil Hitler"-Rufe nicht zu hören sind, sei manipuliert, die Parolen der Skinheads nachträglich herausgeschnitten worden. Das ORF bestreitet das, ebenso wie die beiden Skinheads. Philipp beteuert im Interview mit dem Standard, dass er auf die Wahlkampfveranstaltung wollte, "und nicht der Moschitz".

Inzwischen tauchten auch Videos von Philipp auf einer FPÖ-Kundgebung aus dem Jahr 2009 auf - er war also nicht das erste Mal bei einer Veranstaltung der Freiheitlichen. Nazistische Parolen hätte weder er noch Kevin gerufen: "Niemand hat es gesagt, niemand hat es gehört", so der Skinhead in der österreichischen Zeitung.

Der Rechtsstreit sichert der FPÖ einen Stammplatz in den Medien. Bisher spricht dabei alles gegen die Version von Heinz-Christian Strache: Ein Gutachter hat dem ORF bestätigt, dass das ausgestrahlte Video nicht manipuliert worden sei. Nun muss der Fernsehsender auch unveröffentlichtes Material herausgeben, damit die Staatsanwaltschaft es auf "Heil Hitler"-Rufe prüfen kann. Zuvor hatte das ORF sich vergeblich auf das Redaktionsgeheimnis berufen.

Für Strache könnte der Streit ernsthafte Konsequenzen haben. Seine Immunität als Nationalratsabgeordneter hat das Parlament inzwischen aufgehoben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen des Verdachts auf Falschaussage. Für den österreichischen Grünen-Abgeordneten Peter Pilz hat das bei den Freiheitlichen Methode: "Die FPÖ-Politiker behaupten alles Mögliche und glauben, sie kommen damit durch", ist sein Fazit. Die Anzeige gegen den ORF sei ein Einschüchterungsversuch.

Doch sie habe auch positive Effekte: "Die Menschen kapieren langsam, dass das eine ganz vergaunerte Partei ist." Die Stimmen von Kevin und Philipp werden die Freiheitlichen nach dieser Geschichte jedenfalls nicht mehr kriegen. "Das sind alles falsche Hunde", urteilt Philipp im Standard-Interview.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: