Anti-Terrorkampf:Wie man die Geldquellen des IS trockenlegen könnte

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Bundeskanzlerin Merkel, Frankreichs Präsident Hollande und Bürgermeisterin Hidalgo gedenken der Opfer der Pariser Terroranschläge. (Foto: Etienne Laurent/AFP)

Der französische Finanzminister will es Terroristen erschweren, an Geld zu kommen. Einer seiner Vorschläge richtet sich auch an Kunsthändler.

Von Cerstin Gammelin, Berlin, und Thomas Kirchner, Brüssel

Es ist nicht üblich, dass Finanzminister sich anhand konkreter Anschauungsobjekte erklären. Insofern war es außergewöhnlich, dass Michel Sapin, französischer Finanzminister, am Mittwoch bei einem Auftritt mit seinem Kollegen Wolfgang Schäuble zwei schwarze Kreditkarten aus dem Anzug zog.

Sapin reichte eine an den etwas überrascht wirkenden Schäuble weiter - und erklärte einen gängigen Weg der Terrorfinanzierung: Der Wolfgang habe über illegale Kanäle Geld erworben und transferiere das Guthaben auf die Kreditkarte. Dann bekomme er, Michel, die Karte und könne das Geld ausgeben, ganz legal. Damit müsse jetzt endlich Schluss sein.

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Der französische Finanzminister schlägt sechs Maßnahmen vor

Sapin war extra nach Berlin gekommen, um sich Schäubles Unterstützung für einen Plan zu holen, den er kommende Woche beim Treffen der europäischen Finanzminister in Brüssel durchsetzen will.

Sechs Maßnahmen schlägt Sapin vor, um zu verhindern, dass Terroristen weiterhin so brutale Anschläge wie in Paris, Beirut oder Mali finanzieren können. Der Franzose will, dass die bereits beschlossene EU-Richtlinie gegen Geldwäsche früher als geplant (Mitte 2017) umgesetzt wird. Die nationalen Verdachtsmeldestellen für Geldwäsche sollen künftig direkt Informationen austauschen.

Deutschland, verspricht Schäuble, wird seine Strukturen anpassen. Bisher ist die "Zentralstelle für Geldwäsche-Verdachtsmeldungen" beim Bundeskriminalamt angesiedelt, in allen anderen EU-Staaten beim Zoll oder den Finanzbehörden.

Schäuble hat deshalb mit dem Bundesinnenministerium fest verabredet, dass noch in dieser Legislatur die Meldestelle vom BKA in sein Ministerium wechselt. Ein entsprechender Kabinettsbeschluss wird im kommenden Jahr erwartet. Ziel ist es, nicht wie bisher bei jeder Meldung zunächst ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, sondern schnell und punktgenau reagieren zu können.

Sapin will Vermögenswerte wie Bankguthaben, Immobilien, Fahrzeuge und Sozialleistungen schneller einfrieren lassen können. Alle Formen anonymer Finanzströme wie Bargeldtransporte sollen unterbunden werden.

Die EU soll ein eigenes System aufbauen, um Bankdaten und Kontobewegungen auszuwerten und sich nicht länger auf die Auswertungen der USA verlassen. Sapin will die Kontrolle von Zahlungen außerhalb der überwachten Finanzinstitute verschärfen, etwa über Prepaid-Karten, virtuelle Währungen wie bitcoin und Edelmetalle.

Sapin zufolge reichen die Einkünfte aus den Verkäufen von Erdöl dem sogenannten Islamischen Staat aus, um Anschläge zu finanzieren. Da der IS das Erdöl lokal und dezentral fördere, müssten die Quellen und die Transporter zerstört werden.

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Er warnte Kunstsammler in Europa davor, Kunstwerke unbekannter Herkunft zu erwerben und Terroristen Geld in die Hände zu spülen. Die Importkontrollen müssten verschärft werden.

Die EU versucht, mit rechtlichen Mitteln gegen das Phänomen der "ausländischen terroristischen Kämpfer" anzugehen. Das sind Menschen, die in Krisengebiete reisen, um dort an Kämpfen teilzunehmen oder sich für Kämpfe ausbilden zu lassen. Künftig sollen solche Aktivitäten in allen Mitgliedstaaten bestraft werden, auch schon der Versuch, solche Kämpfer anzuwerben oder auszubilden.

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Schon der Versuch ist strafbar: Ein verschärftes Strafrecht soll verhindern, dass deutsche Islamisten in Kriegsgebiete oder Terrorcamps fahren. Zudem wird die Finanzierung von Terroristen schärfer geahndet. Dem Unionspolitiker Strobl fehlen aber zwei wichtige Instrumente.

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Ebenfalls kriminalisiert werden sollen die Finanzierung, Organisation und Erleichterung von Reisen zu Terror-Zwecken, etwa indem Unterkünfte, Transportmittel, Dienstleistungen, Vermögen oder Waren bereitgestellt werden. Nötig sei eine "gemeinsame strafrechtliche Antwort", sagte der Erste Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans: "Terroristen kennen keine Grenzen."

Nach Angaben von Europol sind inzwischen etwa 5000 EU-Bürger in Krisengebiete gezogen, zuletzt vor allem nach Syrien. Ende 2014 waren es noch 3000. Die EU verfügt schon über gemeinsame Regeln zur Terror-Bekämpfung, die aber nicht verbindlich sind.

Die Vorschläge der Kommission ergänzen diese Regeln um die Aspekte zu den "ausländischen Kämpfern" sowie um internationale Verpflichtungen, wie sie etwa eine Resolution des UN-Sicherheitsrats von 2014 und eine Konvention des Europarats vorsehen. Aus all dem soll nun eine Richtlinie entstehen, also ein europäisches Gesetz, das die Mitgliedstaaten umsetzen müssen. Wenn sie dies nicht tun, kann die Kommission sie verklagen.

Zudem will die Kommission verhindern, dass Kriminelle und Terroristen an Waffen und Sprengstoffe gelangen, die bisher vergleichsweise leicht im Internet erhältlich sind. Die EU-Polizeibehörde Europol und die Mitgliedstaaten sollen die einschlägigen Webseiten genauer beobachten. An den Außengrenzen sollen Güter- und Personenverkehr schärfer auf geschmuggelte Waffen überprüft werden.

© SZ vom 03.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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