Furcht vor sozialen Unruhen:Iran will Hühnchen im TV zensieren

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Geflügel ist teuer in Iran, viele Menschen können sich wegen explodierender Preise das beliebte Fleisch nicht mehr leisten. Der Polizeichef des Landes fürchtet, dass die Menschen deshalb "zu den Messern greifen" und wählt ungewöhnliche Zensurmaßnahmen.

Lilith Volkert

"Huhn mit Pflaumen" heißt der aktuelle Film der iranischen Comiczeichnerin und Filmemacherin Marjane Satrapi. Die Liebesgeschichte könnte demnächst zumindest teilweise der Zensur in ihrem Heimatland zum Opfer fallen. Nicht wegen regimekritischer Stimmen oder zu freizügiger Szenen wie bei ihrem letzten, im Westen sehr erfolgreichen Film "Persepolis". Sondern schlicht weil darin lecker zubereitetes Hühnchen gezeigt wird.

Auf diesem Archivfoto aus dem Jahr 2006 sind die Regale des Händlers in der nordwestiranischen Stadt Orumiyeh (Urmia) gut gefüllt. Doch viele Iraner können sich Hühnchen nicht mehr leisten. (Foto: AFP)

Neben Reis und Rindfleisch ist Geflügel ein Grundnahrungsmittel der iranischen Küche, gerne wird es auf kleinen Spießen gebraten. Doch das können sich immer weniger Menschen leisten.

Denn Fleisch in Iran ist gewöhnlich ähnlich teuer wie bei deutschen Metzgern, ein durchschnittlicher Arbeiter verdient aber nur etwa 500 Euro pro Monat. Außerdem sind in den vergangenen Monaten die Preise für Geflügel deutlich gestiegen, haben sich teilweise verdreifacht. Manche Restaurants sollen Gerichte mit Hühnchen bereits von der Karte genommen haben.

Nun hat der Chef der Nationalen Sicherheitskräfte, Esmail Ahmadi-Moghaddam, auf einer Konferenz vorgeschlagen, kein Huhn mehr im Fernsehen zu zeigen. Damit will er soziale Unruhen vermeiden. "Es wird gezeigt, wie Hühnchen gegessen wird und jemand schaut zu, der sich das nicht leisten kann", sagte er. "Zuschauer könnten auf den Gedanken kommen, zu ihren Messern zu greifen und sich ihre Rechte von den Reichen zu holen." Der staatliche Fernsehsender IRIB sollte nicht das Schaufenster sein, in dem unerreichbare Dinge ausgestellt werden.

Um die "Hühner-Krise" in den Griff zu bekommen, hat der iranische Staat gerade erst große Mengen subventioniertes Hühnchen auf den Markt gebracht, was in vielen Städten zu langen Schlangen vor den Geschäften geführt hat. Einkäufer mussten ihre Ausweise vorzeigen, um Hamsterkäufe zu vermeiden.

Dass der Appetit auf Huhn gerade besonders groß ist, hat einen einfachen Grund: Am Samstag beginnt der islamische Fastenmonat Ramadan. 30 Tage lang wird tagsüber gefastet, nach Einbruch der Dunkelheit aber ausgiebig gegessen und gefeiert. Da neben Geflügel auch Rindfleisch, Obst und Zucker immer mehr zu kaum erschwinglichen Luxusgütern werden, dürfte das Fasten vielen Iranern dieses Jahr schwerer fallen als üblich.

Inflationsrate könnte bis auf 70 Prozent steigen

Schuld an den gestiegenen Preisen sind neben wirtschaftlichen Fehlentscheidungen der Regierung und Korruption auch die Sanktionen der EU und der USA. Der Westen wirft dem Regime in Teheran vor, heimlich an Atomwaffen zu bauen und will es zu Zugeständnissen bei seinem Atomprogramm bringen.

Seit Anfang Juli kaufen die Länder der Europäischen Union kein iranisches Öl mehr, auch die Vereinigten Staaten verschärfen ihre Strafmaßnahmen immer wieder. Darunter leidet die Wirtschaft des Landes, was vor allem Mittel- und Unterschicht zu spüren bekommen.

Außerdem verliert die iranische Währung gerade massiv an Wert. Die Inflationsrate liegt offiziell bei 21,5 Prozent, Experten schätzen jedoch, dass sie doppelt so hoch ist. Ein Berater des Staatsoberhauptes Ayatollah Khamenei wird mit den Worten zitiert, die Inflation könnte sogar auf bis zu 70 Prozent steigen. Damit könnte der Appetit der Iraner auf eine Revolution tatsächlich steigen - auch wenn sie keine Hühnchen im Fernsehen zu sehen bekommen.

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