Angriff auf Gaza-Flotte:Allein gegen die Welt

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Israel weigert sich, in der Aufklärung des Angriffs auf die Hilfsflotte mit einer internationalen Kommission zusammenzuarbeiten. Die Regierung bringt mit ihrer sturen Haltung selbst die engsten Freunde gegen sich auf.

Peter Münch

Die Hamas kann sich in diesen Tagen Ruhe gönnen und von Gazas Gestaden aus entspannt verfolgen, wie der Erzfeind nach einer Schlacht auf See in schwere Wasser gerät. Mit der Rambo-Aktion gegen die Schiffe voller Hilfsgüter hat Israel weltweit Entrüstung auf sich gezogen. Doch nun schickt sich die Führung in Jerusalem an, alles noch viel schlimmer zu machen mit der sturen Rechtfertigung eines Einsatzes, bei dem weit über das Ziel hinaus scharf geschossen wurde. Damit riskiert Israel die weitere internationale Isolierung.

In der arabischen Welt wird seit dem Angriff auf die Hilfsflotte gegen Israel protestiert. (Foto: AP)

Der UN-Sicherheitsrat hat unmissverständlich eine unabhängige Untersuchung des blutigen Vorfalls gefordert, doch Israel weigert sich schlicht, mit einer international besetzten Kommission zusammenzuarbeiten. Schon einmal ist das Land damit durchgekommen - nach dem Gaza-Krieg vor anderthalb Jahren, als der Armee Kriegsverbrechen vorgeworfen wurden. Doch diesmal liegen die Dinge anders: Der Gegner war nicht die terroristische Hamas, sondern es geht jetzt - selbst wenn auch Krawallmacher an Bord waren - um eine Flotte politischer Aktivisten aus vielen Ländern. Der Überfall fand statt in internationalen Gewässern, und getötet wurden wahrscheinlich neun türkische Staatsbürger.

Es wäre also absurd, die Aufklärung dieses Falles allein jenen zu überlassen, die nun von verschiedenen Seiten für die Toten und Verletzten verantwortlich gemacht werden. Wenn Israel nichts zu verbergen hat, wie es die Regierung und das Militär seit Tagen beteuern, dann dürfte es eigentlich auch nichts gegen eine internationale Untersuchungskommission haben. Wenn die Soldaten wirklich in Notwehr gehandelt haben, weil sie sich gegen einen Lynchmob wehren mussten, wie dies in Jerusalem behauptet wird, dann könnte die Regierung die Beweise dafür auch dieser Kommission präsentieren. Wer sich verweigert und alle Welt für parteiisch erklärt, macht sich nur verdächtig. Dabei sollte niemand in Jerusalem glauben, dass sich die Welt in diesem Fall mit einer internen israelischen Untersuchung zufrieden geben wird. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, die in Jerusalem zu den treuesten Freunden gezählt wird, hat sich bereits für die Beteiligung des Nahost-Quartetts aus UN, EU, Russland und den USA an den fälligen Untersuchungen ausgesprochen. Und je hartleibiger sich Israel gibt, desto größer könnte der Druck werden, und desto mehr könnte das Land am Ende verlieren.

Denn zusammen mit diesem Vorfall auf hoher See rückt jetzt das gesamte Thema der Abriegelung des Gaza-Streifens wieder nach oben auf der internationale Agenda. Die Rufe nach einer Aufhebung der seit vier Jahren andauernden Blockade werden lauter - aus den Vereinten Nationen und auch aus der Europäischen Union. Die Sturheit der israelischen Führung ist in diesem Fall also nicht nur skandalös, sondern obendrein kontraproduktiv. Wer eine solche Regierung hat, braucht keine Feinde mehr.

© SZ vom 04.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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