Das Besondere an Angela Merkel sind ihre Augen. Das sagt zumindest der Kölner Karikaturist Heiko Sakurai, der die jetzt erschienene Merkel-Comic-Biographie "Miss Tschörmänie" gezeichnet hat.
Er steht auf, geht an den Flip-Chart und zeichnet Angies Augen, die Augen der Bundeskanzlerin. Halb geschlossen mit Rändern unterhalb der Augen. Das sei der merkeltypische "verhangene Blick", sagt Sakurai. Ein Blick, der wie der Experte meint, vor allem eines sagt: "Dass wir in ihre Seele nicht gucken können."
Merkel, das Mysterium. Noch heute fragen sich eingefleischte Konservative in der Union, wie das passieren konnte, dass Kohls Mädchen, diese "Ost-Tusse", wie sie in Sakurais gezeichnetem Band von einem bierseligen CDUler am Parteistammtisch beschimpft wird, wie diese Frau also zuerst CDU-Vorsitzende und dann auch noch Kanzlerin werden konnte.
Der Comic gibt die Antworten, die wahren Antworten. Das Buch spiegelt verbriefte und recherchierte historische Wahrheiten wider. Dafür sorgte die Texterin, Miriam Hollstein, eine Redakteurin der Welt am Sonntag.
Etwa die Wahrheit, dass Mutter Kasner ihr Baby Angela im September 1954 über die Grenze in die Zone getragen hat, weil Papa Kasner, ein Pfarrer, als Christ den Osten nicht den Kommunisten überlassen wollte. Oder jene Wahrheit, dass Angela als Kind im Schwimmbad eine gute Dreiviertelstunde auf dem Sprungturm stand, und sie - als alle die Kleine schon abgeschrieben hatten - dann doch noch gesprungen ist.
Bundesministerin für "Gedöns"
Immer dabei in dem Comic: das Duo Infernale Gerhard Schröder und Edmund Stoiber. Sie vereint das schummrige Gefühl, wie viele andere Opfer dieser Männer-Mörderin zu sein.
Sie bilden die Rahmenhandlung: Die beiden Alpha-Machos der deutschen Politik hocken bei viel Wein am Wahlabend des 27. September 2009 in einer Bar in Berlin-Mitte und erzählen sich gegenseitig die unglaubliche Geschichte vom unfassbaren Aufstieg der Angela M., der aus ihrer Sicht nie hätte passieren dürfen.
Von der Russisch-Olympiade-Siegerin und Physikerin wurde sie zur Wende-Pressesprecherin (Demokratischer Aufbruch, dann Ost-CDU) bis hin zur Bundesministerin für "Gedöns" (Schröder). Sie war Umweltministerin, CDU-Generalsekretärin und kurz darauf CDU-Spenden-Affären-Managerin, danach Parteivorsitzende und schließlich Regierungschefin der Bundesrepublik Deutschland.
Natürlich auch dabei, das legendäre Frühstück mit dem damaligen CSU-Chef Edmund Stoiber in Wolfratshausen vor der Bundestagswahl 2002. Beide wollten Kanzlerkandidaten werden. Doch zu viele in der Union waren gegen Merkel. Sie kam den Widersachern zuvor, brachte Stoiber Semmeln mit zum Frühstück und nötigte ihm ab, wenn er die Wahl versemmelt, wird sie Fraktionschefin und nicht wieder Friedrich Merz.
So kam es, dass am Tag nach der Wahlschlappe 2002 ein diabolisch anmutender Friedrich Merz im Präsidium mit hochrotem Kopf die Fäuste auf den Tisch trommelnd zeterte: "Das war nicht ABGESPROCHEN!" Mit ihm hatte nämlich über den Deal von Wolfratshausen keiner geredet. Merz trat wenig später entnervt von allen verbliebenen Ämtern zurück. "Glückwunsch, du hast gewonnen, Intrigantin", steht in seinen Gedanken.
Guido Westerwelles Noppensocken
Die Episode bezeugt eine weitere Eigenschaft von Angela Merkel. Sie denkt immer "vom Ende her". Wichtig ist, dass sie ein Ziel erreicht, weniger wichtig ist, wann und wie. Nach der Wahl 2005 traf sie sich lieber mit SPD-Parteichef Franz Müntefering als mit dem testosteronübersteuerten Noch-Kanzler Gerhard Schröder. Mit "Münte" machte sie die große Koalition klar. Mit ihr als Kanzlerin.
Im Comic fällt Schröder glatt die Zigarre aus der Hand, als ihm die Nachricht ins Ohr geflüstert wird.
Wer genauer hinguckt, erfährt auch viele Kleinigkeiten über Politiker, die so passiert sind, die aber allzu leicht für künstlerische Überhöhung gehalten werden können. Etwa, dass FDP-Chef Guido Westewelle tatsächlich Noppensocken getragen hat, als Merkel und Stoiber bei ihm zu Hause die Kandidatur von Horst Köhler für das Amt des Bundespräsidenten ausbaldowerten. Und auch das Aquarium in Kohls Kanzlerbüro hat es tatsächlich gegeben.
Bei der Vorstellung des Comics an diesem Donnerstag in Berlin wird Autorin Miriam Hollstein gefragt, ob sie keine Sorge habe, dass die CDU das Buch jetzt instrumentalisiere für den Wahlkampf. Sie verneint. In dem Buch bekämen ja "alle ihr Fett weg". Allerdings ist das Fett nicht gleich verteilt.
Das meiste bekommt ganz offensichtlich Roland Koch ab, Ministerpräsident in Wiesbaden und Merkel-Hasserin der ersten Stunde. Die Nase des Hessen ist pinocchio-lang, die Lippen sind wie mit Botox untermauert, und in jeder sich bietenden Gelegenheit ist er der "Die-kann-es-nicht"-Stichwortgeber.
Sollte Angela Merkel den Comic je in die Hand bekommen, dürfte sie sich nach der Lektüre darin bestätigt fühlen: Unter ihr wird dieser Mann nichts mehr in der deutschen Politik. Schließlich ist sie "Miss Tschörmänie, die Allererste".