Erfolglos, ergebnislos - so endeten bislang alle Fälle, in denen sich deutsche Strafverfolger mit dem Treiben amerikanischer Agenten in Deutschland beschäftigten. Wird es diesmal anders laufen? Die Bundesanwälte des Ermittlungsreferats S 2 ("Spionage anderer Länder"), die sich seit Oktober mit dem Fall des von amerikanischen Geheimdienstlern abgehörten Handys der Kanzlerin beschäftigten und am Ende keine Ermittlungen wollten, werden vermutlich skeptisch bleiben.
Nach vergleichsweise umfangreichen Vorermittlungen meinten sie, dieser Fall sei nicht lösbar. Symbolhafte Ermittlungen würden sie nicht führen wollen. Die Frage ist, ob auch politische Gründe für die Beamten von S 2 eine Rolle spielten. Im Hintergrund ging es immer auch um große Politik. Generalbundesanwalt Harald Range hat dann doch Ermittlungen eingeleitet.
Vorläufig kein Ermittlungsverfahren
Es gebe "zureichende tatsächliche Anhaltspunkte" dafür, dass unbekannte Angehörige US-amerikanischer Nachrichtendienste ein Mobiltelefon der Kanzlerin ausgespäht hätten, erklärte der 66-jährige Range am Mittwoch. Diese Formel steht immer für den Anfangsverdacht in einem Ermittlungsverfahren.
Hingegen gebe es diese Anhaltspunkte nicht im Fall der vermuteten massenhaften Ausspähung von Millionen Deutschen durch amerikanische und britische Geheimdienste. Es handele sich um eine "abstrakte Annahme". Also, vorläufig zumindest, kein Ermittlungsverfahren.
Formal stützt der Generalbundesanwalt seine Entscheidung auf folgende Argumente: Weder sei das massenhafte Ausspähen durch die NSA mithilfe des Prism-Programms oder auch das Ausspähen durch den britischen Geheimdienst GCHQ mit seinem Tempora-Programm erwiesen. Die Annahme, dass es solche Programme gebe, reiche nicht.
Meldungen aus dem vergangenen Sommer, wonach monatlich bis zu 500 Millionen Verbindungsdaten von Deutschen abgegriffen worden seien, beruhten auf einer falschen Interpretation der Dokumente von Edward Snowden, teilte der Bundesnachrichtendienst (BND) dem Generalbundesanwalt mit. In einem der Snowden-Dokumente waren zwei Sammelstellen benannt worden: "US-987LA" und "US-987LB". Aus einem Schaubild mit dem Titel "Germany last 30 Days" ging die Zahl 500 Millionen hervor.
Der BND erklärte dem Generalbundesanwalt nur, was er schon Anfang August der Öffentlichkeit erklärte hatte: Hinter den NSA-Kürzeln würden sich seine Standorte im bayerischen Bad Aibling und in Afghanistan verbergen. Die Daten seien nicht von der NSA, sondern vom deutschen Auslandsnachrichtendienst erhoben und dann an die Amerikaner weitergeleitet worden. Dabei gehe es aber nicht um Daten von Deutschen in Deutschland, sondern von Ausländern "in Krisengebieten".
Dieses Dementi bedeutet nicht, dass keine Deutschen durch NSA und GCHQ abgehört wurden und werden. Es meint nur, dass deutsche Geheimdienstler nicht wissen, was in Deutschland passiert.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), das für Spionageabwehr zuständig ist, setzte eine Prüfgruppe ein und ließ die durch Deutschland laufenden Kabelverbindungen überprüfen, um herauszufinden, ob die NSA oder die Briten hierzulande die Daten abzweigten. Es fand sich nichts, was den Verdacht hätte nähren können.
Wichtig für Ermittlungsverfahren
Die Bundesanwaltschaft kennt zudem das Ergebnis eines Gesprächs, das am 5. August 2013 der heutige Staatssekretär im Kanzleramt, Klaus-Dieter Fritsche, und Spitzenvertreter des BND mit amerikanischen Kollegen führten. Der damalige NSA-Chef Keith Alexander und der oberste Geheimdienstchef James Clapper versicherten, dass "weder eine flächendeckende noch eine gezielte Überwachung deutscher Staatsbürger" stattfinde. Auch würden US-Einrichtungen in Deutschland nicht zum Zweck der Spionage gegen Deutsche genutzt. Das mag man glauben oder nicht - in den gescheiterten deutsch-amerikanischen No-Spy-Verhandlungen wollten sich die Vertreter der US-Dienste nicht auf eine Garantie festlegen lassen, sie spionierten hierzulande nicht.
Dass die NSA auch Deutsche abhört, wissen die Bundesanwälte sehr wohl, bisweilen profitieren sie in ihren Ermittlungsverfahren sogar davon. Hinweise der NSA führten zu Ermittlungen gegen terroristische Zellen in Deutschland oder gegen Firmen, die Material zum Bau von Massenvernichtungswaffen lieferten. Müsste Karlsruhe die weiße Fahne hissen, wenn ein Mitarbeiter der NSA angeklagt würde und die amerikanischen Dienste nicht mehr liefern wollten? Solche Diskussionen hat es im NSA-Fall in Karlsruhe, wo sich mancher Ermittler als politischer Staatsanwalt sieht, schon gegeben. Aber ein wahrer Freund muss den Freund doch immer vor echten Gefahren warnen.